Silvers Circus.
Mittlerweile
ist es knapp 3 Monate her, dass ich die Clownsnase an den Nagel gehängt habe.
Eine
lange Zeit, dennoch ist der Zirkus noch immer präsent in meinem Leben.
Speziell
die ersten Wochen nach meinem Abschied war ich nahezu tagtäglich in Gedanken
bei meiner Zirkusfamilie dort. Was machen sie wohl gerade? Vermissen sie mich,
so wie ich es tue? Wie geht es meinem Wohnwagen? Wie läuft die Clownperformance
ohne mich?
Einige
Male habe ich sogar schon vom Zirkus geträumt. I had a dream.
Mir
ist mittlerweile mehr als klar: Es war nicht nur ein Arbeitsplatz dort, es war
mein Zuhause – meine Familie! Bis zum heutigen Tag spielt der Zirkus noch immer
eine große Rolle in meinem Leben und so halte ich mich natürlich IMMER auf dem
Laufenden und habe stets Kontakt mit meinen Freunden dort!
Ich
muss zugeben, ein paar Mal habe ich bei ihren Nachrichten sogar bereits feuchte
Augen bekommen… Du willst dich überzeugen?
Seiltänzerin
Emma hat mir im Vertrauen
geschrieben:
„Hey Andy. Wie geht
es dir? Wo befindest du dich gerade?
Wir vermissen dich,
Andy! Du warst ein großartiger Clown! Emma“
Franck, französischer
Arbeiter im Zirkus:
„Manchmal denken wir
abends an dich. Wir erinnern uns an unsere gemeinsamen Partys und wir vermissen
es, wir vermissen dich!
Anand macht ja jetzt die Clownperformance, aber er ist nicht
so witzig wie du.
Ganz am Anfang, als
ich ihn zum ersten Mal verkleidet gesehen habe, dachte ich für einen Moment es
wärst du…
Ich hoffe dir geht
es gut! Ich erwarte deine Antwort! Franck“
Cassandra, Artistin und Nichte
des Zirkusdirektors:
„Wir vermissen dein
grinsendes Gesicht und deine positive Energie hier!
Ich hoffe du hast
eine schöne Zeit! Cassie“
Ja,
die Zeit im Zirkus war absolut außergewöhnlich! Und eine wunderschöne Arbeit
als Clown die Menschen zum Lachen zu bringen :)
Nun
ist das Stichwort gefallen: Arbeit. Die meisten Backpacker in Australien verdienen
ihr Geld nicht im Zirkus, sondern als Erntehelfer – das so genannte FRUITPICKING!
Überall
im Lande sind Reisende in diesem Business aktiv – es ist statistisch gesehen
der meistausgeübte Job für Backpacker!
Ich
persönlich habe eine Lebensphilosophie: Ich
will ALLES ausprobieren.
Ja,
und so möchte ich so viele Erfahrungen wie möglich aus Australien mitnehmen.
Für
mich war es somit direkt klar: ICH WILL FRUITPICKING TESTEN!
Der
„Club der Denker“ setzte sich zusammen: Céline, Alina und ich berieten uns.
Wir
kalkulierten und spekulierten. Wir grübelten, studierten Statistiken,
hinterfragten nebenbei das Weltbild und stellten Theorien auf. Pläne wurden
geschmiedet und wieder verworfen. Schlaflose Nächte, rauchende Köpfe. Unzählige
Szenarien wurden durchgespielt. Dann befragten wir das allwissende Internet.
Und dann folgte eine letzte Veranstaltung:
„Der
Club der Denker - Die Abschlusstagung“
Nun
darf ich die Lösung des Problems präsentieren. Es handelt sich um ein simples
Wort:
Workinghostel
Diese
so genannten Workinghostels gibt es überall in Australien und sie stehen jeweils
in engem Kontakt mit den Farmern der Region. Ist man in ein solches Hostel
einquartiert, wird man auf die Warteliste gesetzt. Sobald ein Arbeitsplatz frei
wird, wird einem dieser Job vermittelt! Da zahlreiche Farmen ihre Arbeiter
ausschließlich aus solchen Hostels beziehen, ist dies die erfolgreichste
Variante der Jobsuche.
Aus
diesem Grund sind Workinghostels extrem gefragt unter Backpackern.
Wir
mussten sämtliche Hostels in der Region abklappern um einen Platz zu finden.
Wir
klopften an Türen und telefonierten was das Zeug hielt. Es war erfolglos.
Die
Hostels waren ausgebucht, komplett ausgebucht!
Die
Lage schien nahezu aussichtslos - doch unser Glück lies uns nicht im Stich:
Im
Hostel des kleinen Provinzörtchens Childers konnten wir die letzten freien
Betten ergattern :) Und da waren wir nun also – der erste
Schritt war gemacht: Ein Workinghostel war gefunden!
Direkt
kamen wir mit den anderen Backpackern dort ins Gespräch und konnten uns über
die Jobs informieren! Viele der Reisenden hier wurden bereits zu den
umliegenden Farmern vermittelt.
Mit
gespitzten Ohren lauschten wir ihren Berichten. Was es hier in der Region zu
tun gibt?
Schon
allein wenige Stichworte verführen einen in fruchtig frische Träume:
Mangos,
Mandarinen, Melonen, Bananen, Ananas und andere tropische Früchte, sowie Bohnen
und Süßkartoffeln zählen zum Einsatzgebiet!
Tagtäglich
wird gepflanzt, gepflückt und aussortiert. Aussortiert?
Na
klar! Du weißt schon: Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! :)
Ist
dies getan werden die Guten dann fein säuberlich in Kisten verpackt und
schließlich ausgeliefert – soweit konnten sie uns mit ihrem Wissen informieren!
Aber:
ANDY WILL´S WISSEN! Sofort brannte
mir eine Frage unter den Nägeln:
Landet eine der
Bananenkisten im schönen Oberschwaben?
Das
konnte mir leider niemand beantworten :)
So.
Nun hast du die ersten Infos. Wie stellst du dir die Arbeit hier vor?
Zuckersüß?
Entspannt? Lass mich raten: Du verlierst dich gerade in Gedanken und träumst
davon in einer Fruchtplantage zu stehen, richtig? Ein wenig Naschen, dann ein
wenig Pflücken. Nebenher die Sonne genießen und sich freuen, dass die Taler nur
so in die Tasche fallen. Ja, das hört sich traumhaft an…
Hier
soll die WAHRE Geschichte beschrieben werden!
Noch
mal von vorne, neuer Versuch:
KLAPPE,
DIE ZWEITE!
Nun
gut, ich will es dir nicht vorenthalten. Die Realität sieht komplett anders
aus. Ja, ich habe es am eigenen Leib erfahren, was es heißt für sein Geld zu
arbeiten.
Halte
dich fest, ich werde dir berichten. Alles begann an unserem ersten Arbeitstag…
Das
war die Info, die wir in einen Tag vor unserem ersten Arbeitseinsatz bekamen. Aha!
Nach
dem Frühstück machten wir uns dann bereit – ausgestattet mit unseren
Arbeitsklamotten reihten wir uns vor dem Hostel zwischen die anderen Arbeiter
ein.
Da
wir auf Knien arbeiten werden, hatten wir uns bereits vorbereitet und Knieschoner
besorgt. Allerdings in keinem Laden – nein. Wir waren kreativ. Denn: Mit einer
Meeeeeenge Fantasie, einer Schere und alten Socken kann man sich wunderbare
Knieschoner basteln.
Ich
setzte dann meine schicke, neongelbe Sonnenmütze auf, dann war es soweit:
Céline,
Alina und ich waren bereit – die Farmarbeit konnte kommen!
Dann
kam ein Kleintransporter und wir wurden zum Einsatzgebiet verfrachtet. Dort trafen
wir auf weitere Erntehelfer, die bereits beschäftigungslos in brütender Hitze
warteten.
Leider
konnten auch wir nicht direkt mit unserer Arbeit beginnen, denn die Farmer
waren noch nicht eingetroffen!
Das
Problem: Man konnte der Sonne nicht entkommen, es gab keinen Schatten.
Die
routinierten Arbeiter meinten dann, dass wir uns gleich an Verspätungen seitens
der Farmer gewöhnen könnten. Es sei sozusagen eine ungeschriebene Regel!
Nun
gut, ich versuchte mich mit der Situation zu arrangieren. Dennoch:
Die
pralle Sonne strahlte auf unsere Häupter und heizte ordentlich ein. Die Uhren
tickten, die Zeit verging. Ich verlor
mich in meinen Gedanken, doch dann war da plötzlich Licht am Ende des Tunnels: Ein
Fahrzeug – das musste er sein: Unser
Farmer.
Trotz
der Verspätung und der langen Wartezeit war meine Laune in luftigen Höhen.
Ich
war höchst gespannt. Was sollte uns erwarten? Für wen werden wir arbeiten?
Ist
es ein waschechter Australier? Oder ein gemütlicher Farmer? Ist er ein Countryboy?
Mit
Strohhut? Und klassischem Bierbauch?
Ich
konnte es kaum erwarten. Die Fahrertür wurde geöffnet und er setzte seinen Fuß
auf die rote Erde. Da war er nun also, unser Farmer. Sein Name? Tim Tam!
Ich
erblickte ihn und mir wurden zwei Dinge direkt deutlich:
1.
Mit ihm ist nicht gut Kirschen essen.
2.
Und noch schlimmer: Mit ihm ist nicht gut Süßkartoffeln pflanzen.
Und
als seien diese beiden ernüchternden Feststellungen nicht bereits genug, hatte
ich im Anschluss daran noch eine Erkenntnis:
Freundlichkeit
ist nicht seine Königsdisziplin!
Er
hielt es nicht für nötig uns, SEINE wartenden Arbeiter, zu begrüßen, geschweige
denn, sich für seine Verspätung zu entschuldigen.
Aha.
Na das kann ja heiter werden – sagte meine innere Stimme :)
Und
ich lag richtig: Es WURDE heiter – und zwar keine 2 Minuten später!
Warum?
Er zeigte auf einen asiatischen Arbeiter – „HE, DU!“
Über
den genauen Wortlaut, der dann folgte, möchte ich den Mantel des Schweigens
hüllen.
Um
euch jedoch nicht völlig im Dunkeln zu lassen habe ich mir ein paar
anschauliche Phrasen überlegt, um euch die Situation etwas näher zu beschreiben!
-Tim Tam hat mit ihm ein ernstes Wörtchen
geredet.
-Tim Tam hat ihm die Leviten gelesen.
-Tim Tam hat ihm eine Standpredigt gehalten.
Und
dass es nun auch der Letzte von euch versteht: Tim Tam hat ihn geschimpft.
Warum?
Er würde nicht schnell genug arbeiten,
Doch
nicht nur das: Er hat ihn mit seiner Wutrede auf wirklich ÄGGELHAFTE Weise
(äggelhaft –
schwäbisches Wort für ekelhaft)
vor
der gesamten Arbeiterschaft bloßgestellt.
Aha.
Na das ist mal eine schöne Arbeitsatmosphäre hier, da fühlt man sich direkt
willkommen :)
Ich
möchte dich erinnern: Ich hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Minute
gearbeitet!
Die
Heiterkeit meinerseits war bereits auf ein Minimum gesunken.
Dann
wurde uns Neulingen die Arbeit erklärt: Süßkartoffelreben
einpflanzen!
Sprich:
Auf Knien sollten wir den Acker entlang rutschen, Süßkartoffelreben in die Erde
drücken und schließlich mit einer Handvoll Erde bedecken.
Um
uns Arbeiter trotz der schlechten Stimmung zu Höchstleistungen zu optimieren wurde
ein cleveres Bezahlsystem eingeführt:
Es
gibt keinen Stundenlohn, sondern man wird pro bepflanztem Meter vergütet!
Das
Resultat: Wer am schnellsten ist verdient am meisten!
Nach
einer kurzen Einarbeitungsphase wurde direkt losgepflanzt. Zunächst in höchstem
Niveau: Jede Pflanze wurde von mir fein säuberlich eingepflanzt.
Dann
allerdings versucht man sein Tempo zu steigern – immer schneller und immer
flotter werden die Pflanzen in den Dreck gedrückt.
Denn:
Jeder Arbeiter versucht so viele Meter wie möglich zu bepflanzen! Jeder will
der Schnellste sein, es ist ein inoffizieller Wettkampf.
Jeder
schielt in die Nachbarreihen, um seine eigene Leistung mit den anderen zu
vergleichen.
Sieht
man die anderen plötzlich nur noch von hinten, dann ist man zu langsam. Sofort wird
das Tempo beschleunigt um zu den anderen aufzuschließen, klar!
Ist
man mit einem anderen Arbeiter auf gleicher Höhe und setzt gerade zum Überholen
an, dann kann man schon mal einen lockeren Spruch in die Nachbarreihe flüstern:
„Merk
dir mein Gesicht – du wirst mich ab jetzt nur noch von hinten sehen“ :)
Ja,
das ist witzig :)
Ach
ja: Man muss kein Wahrsager sein um zu prophezeien:
Je
schneller die Arbeitsgeschwindigkeit, desto schlampiger die Arbeit! Logisch!
Schlampig
zu arbeiten ist relativ einfach – und natürlich gibt es einen Haken an der
Sache:
Man
muss vorsichtig sein und sich vor den Supervisorn in Acht nehmen! Man muss sie
stets im Auge behalten und jeden ihrer Schritte verfolgen!
SUPERVISOR!
Supervisor?
Aufregendes Wort – Supervisor! Was ist das? Ritter aus einer weit entfernten
Galaxie? Eine Kriegergattung aus dem nächsten Jahrhundert?
Nein.
Diese Personen sind leider nicht so aufregend wie ihr Name vermuten lässt.
Sie
beaufsichtigen lediglich die getane Arbeit und pendeln zwischen den verschiedenen
Reihen hin und her. Stets wachsam patrouillieren sie und versuchen mit ihren
Adleraugen die Fehler der Arbeiter zu entlarven. Und genau das birgt die große
Gefahr!
DENN:
Sollte ihnen tatsächlich etwas auffallen, dann verliert man jede Menge Zeit und
somit natürlich auch Geld. Warum?
Man
darf die GESAMTE Reihe erneut abklappern und unter den Augen des Supervisors sämtliche
Fehler bereinigen!
Ich
lade dich nun auf eine kleine Gedankenreise ein. Lehn dich zurück und stell dir
vor:
Du
kniest im Dreck und lehnst dich nach vorne um mit den Fingerspitzen die
Süßkartoffelreben in die Erde zu drücken. Du rackerst dich ab. Plötzlich wirst
du aus deinen Gedanken gerissen, du siehst ein paar Stiefel vor dir: Der
Supervisor beobachtet dich.
Du
hoffst und flehst, dass er ohne eine Bemerkung weitergehen wird. Dein Herz
klopft. Du blickst nach oben und der Supervisor steht dominantem Blick vor dir
und zeigt dir explizit jede kleine Unstimmigkeit in deiner Reihe auf.
Du
gerätst in Eile und versuchst so schnell wie möglich deine Fehler auszuwetzen
um so wenig Zeit wie möglich zu verlieren – du betreibst Schadensbegrenzung.
Doch
mit Häme in der Stimme weißt dich der Aufseher auf eine weitere Fehlleistung
hin. Ich frage dich hiermit:
Gibt es etwas, das
einen mehr erniedrigt?
Solltest
du jemals mit deinem Job unzufrieden sein, dann besinne dich. Denk an meine
Worte. Und vor allem:
Schätze dich
glücklich, dass DU keine Süßkartoffeln pflanzen musst.
Glaub
mir, dein Job ist nicht einmal halb so schlimm wie du es vermutest :)
So,
und nun weiter im Kontext:
Hat
man nun die Ehre einen zweiten Kontrolldurchgang durch seine Reihe zu
vollziehen, dann ist der Arbeitstag gegessen. Warum?
Man
wird von ALLEN Arbeitern überholt und meist sind sie in weiter Ferne.
Glaub
mir, das ist der absolute SUPER-GAU!
(Größter Anzunehmender Unfall)!
Jeden
Tag wird gehofft, dass dieser Kelch an einem vorbeizieht…
Ja,
die Supervisor sind natürlich gefürchtet und sie verbreiten Angst und
Schrecken!
Doch
man darf sich nicht aufhalten lassen. Pflanze um Pflanze, Rebe um Rebe geht es
unaufhörlich den Acker entlang.
Stumpfsinnig
krabbelt man im heißen Dreck voran, die Knie schmerzen, die Sonne brennt. Mit
der Zeit schmerzt auch der Rücken, man ist stets gebückt.
Das
Nagelbett an den Fingern ist oft von den harten Erdklumpen eingerissen.
Der
Schweiß tropft auf die Erde, dennoch wird während der Arbeitszeit kaum
getrunken – das kostet zu viel Zeit.
Man
verliert sich in Gedanken, um die Zeit so erträglich wie möglich zu machen und
nebenbei ist man stets bemüht: Man versucht bei der Arbeit den schmalen Pfad
zwischen „zu ordentlich“ und „zu schlampig“ zu finden.
Ja,
man will die Anforderungen der Supervisor erfüllen um sie nicht zu verärgern,
oder gar ihren Zorn auf sich zu ziehen.
Ach
ja, gut und gerne haben wir dann auch schon mal 500 Meter am Stück bepflanzt –
auf Knien und permanent nach vorne gebeugt!
Glaub
mir eines: DAS ist harte Arbeit.
Und
ja, eigentlich war ich der festen Überzeugung dass Sklavenarbeit vorbei wäre.
Ein
Grund war: Die Supervisor hatten keinerlei Interesse an ihren Arbeitern.
Persönlicher Bezug war absolut nicht vorhanden und so wurde der Großteil der
Arbeiter einfach nur mit „HEY DU“ angesprochen.
Ich
persönlich konnte mich darüber sehr amüsieren :) Hört man den vorwurfsvollen
Ruf „HEY DU“ über das Feld hallen, dann schießt der Puls von 30 Arbeitern in
sekundenschnelle in die Höhe. Warum? ALLE fühlen sich angesprochen.
Sklavenarbeit
hin oder her, manchmal muss man sich selbst auf den Boden der Tatsachen
zurückholen und schließlich immer das Positive sehen. Und so war ich nicht
verzagt sondern freute mich, denn:
Wir
wurden nicht in Ketten gelegt :)
Dennoch
habe ich für das Verhalten der Supervisor eine Vermutung. Dazu ein kleiner
geschichtlicher Ausflug um die Allgemeinbildung etwas aufzufrischen:
Früher
haben die Engländer den australischen Kontinent als Gefängnisinsel benutzt.
Alle
Verbrecher wurden hier her verbannt.
Diese
Tatsache muss man sich mal in das Bewusstsein rufen - das war nämlich GEMEIN! :)
Ich
habe die Sachlage überdacht und für meinen Teil habe ich dann direkt die
Vermutung aufgestellt, dass die Nachkommen der damaligen Schlawiner uns Europäern
das jetzt heimzahlen! :)
Nein,
ernsthaft: Man fragt sich doch, wie es möglich ist, dass hier derartige
Arbeitsumstände herrschen können?
Es
ist relativ einfach: Übergroße Arbeitslosigkeit!
Wie
mir mit der Zeit deutlich wurde gibt es hier unglaublich viele Backpacker, die
einen Job als Farmarbeiter suchen – und das wissen die Farmer natürlich! Ist
nun ein Arbeiter mit seiner Lage nicht zufrieden und gibt das sogar in
verbalisierter Form dem Farmer zu erkennen – kein Problem! Er wird entlassen
und es stehen buchstäblich 10 weitere Backpacker in den Startlöchern, die
liebend gerne den Job übernehmen.
Der
einzelne Arbeiter verliert sozusagen seine Macht und die Farmer nutzen diese
Situation wie beschrieben eiskalt aus.
Auch
die Hostelmanager besitzen in etwa die gleiche Macht, denn die Betten dort sind
wie bereits beschrieben auch unglaublich gefragt.
Unglaublich
gefragt? Das ist eigentlich noch untertrieben.
Man
kann sagen, sie sind PERMANENT ausgebucht und das, obwohl sie teilweise in
katastrophalen Zuständen sind: Die Besucher unseres Hostels mussten sich sogar
mit „BED BUGS“ arrangieren.
Sicherlich
auch du hast schon einmal von Bettwanzen gehört – dennoch hoffe ich, dass du bislang
noch nicht die Ehre hattest, mit ihnen Bekanntschaft zu machen.
Das
gesamte Hostel war von ihnen befallen! Sämtliche Matratzen dienten als Herberge
für diese kleinen Wanzen und Nacht für Nacht wurden die Besucher Opfer ihrer
Angriffe!
Ohne
Gnade krabbeln sie an deinem Körper entlang und ernähren sich von deinem Blut.
Ihre Bisse lösen einen unangenehmen Juckreiz aus und wie ich bereits gehört und
gesehen hatte können sogar Narben zurückbleiben. Glaubt mir: Es ist eine
unglaubliche Zumutung.
Doch
die Hostelleitung bestellt keinen Kammerjäger, sondern nimmt das Ganze relativ
gelassen zur Kenntnis. Warum?
Klar,
KEINER von ihnen muss die Nacht in einem Bettwanzen-Bett verbringen. Und so
werden Beschwerden bei der Hostelleitung einfach strikt abgewiesen – jeder der
sich beschwert „hätte die Bettwanzen selbst mitgebracht“.
So.
Ich muss zugeben, dass dieser Bericht bislang vermutlich sehr schockierend für
dich ist. Sklavenarbeit, Bettwanzen. Was kommt als nächstes?
Keine
Angst, ich möchte dich nur beruhigen: Wir hatten stets die Möglichkeit das
Hostel und auch die Arbeit sofort zu verlassen und mit unserem Campervan Juri
weiterzureisen! Wir waren absolut nicht auf diese Arbeit angewiesen sondern
haben komplett aus freiem Willen gehandelt :)
Und
so konnten wir stets relativ entspannt auf die gesamte Situation blicken, und
das ganze Kapitel einfach als „interessante Erfahrung“ durchleben.
So
war das Ganze erträglich und so konnten wir sogar Witze über unsere
„Sklavenarbeit“ machen :)
Witze?
Ja, der nächste Abschnitt wird dir Einblick in eine haarige Angelegenheit
geben.
Du
weißt: Ich bin am anderen Ende der Welt. Ich hatte in den letzten Monaten so
viele verrückte Menschen getroffen, so viel Wahnsinniges gesehen und erlebt.
Ich und
meine Kopfbehaarung wollten uns nun auf ein neues Abenteuer einlassen!
Ja,
ich hatte mich entschieden: Frisurentechnisch wollte ich den Durchbruch zum
Wahnsinn schaffen. Alina stellte sich als Haarstylistin zur Verfügung – sie
durfte ihrer Kreativität freien Lauf lassen!
Von
meiner zunächst vollen Haarpracht war relativ schnell kaum noch was zu sehen:
Haarstylistin
Alina vewandelte mich in einen wilden Irokesen (links)
Alinas
Arbeitseinsatz endete dann schließlich mit millimeterkurzen Haaren meinerseits
und unendlicher Belustigung andererseits!
Warum?
Sämtliche
Hostelbewohner wurden von der Aktion angelockt und verfolgten das Spektakel als
Zuschauer :)
So.
Mit geschorenen Haaren passe ich nun ironischerweise auch äußerlich optimal in
meine Rolle als Sklavenarbeiter :)
Doch
ich kann es absolut mit Humor nehmen – ich kann über mich selbst lachen :)
Ja,
mit meiner neuen Frisur und der Erfahrung unter diesen hart Umständen zu
Arbeiten hat mich inspiriert. Ich habe eine Rede geschrieben, über unsere
Sklavenarbeit“.
Die
legendäre Rede des
ANDREAS LUTHER KING!
Ich nenne sie: I HAVE A DREAM!
Einen
Auszug aus der Rede gefällig?
“I have a dream.
I have a dream that my four little children
will one day make the same experiences.
It will improve their character and they will
appreciate the money they get.
I have a dream today!”
Zu
Deutsch:
“Ich habe einen
Traum.
Ich habe einen
Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages die gleichen Erfahrungen
machen können.
Es wird ihren
Charakter verbessern und sie werden das Geld schätzen, das sie verdienen.
Ich habe heute einen
Traum.
Ja,
auch meine Kinder sollen eines Tages diese Erfahrungen machen! Sie sind
UNBEZAHLBAR!
Ich
muss zugeben, zunächst sind es keine angenehmen Erfahrungen, aber mit etwas
Abstand lernt man sie zu schätzen.
Ich
vermute, dass ich in Deutschland vermutlich nicht die Chance gehabt hätte, so
etwas zu durchleben. Und so bin ich der festen Überzeugung:
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite
Welt.
Die
weite Welt?
Im
Hostel kamen wir mit der weiten Welt in direkten Kontakt.
Viele
Personen und Nationalitäten waren mit uns dort versammelt.
Unser
Freund Karif (Foto: vorne rechts) beispielsweise hat uns direkt eingeladen, ihn
in Hongkong zu besuchen.
Ein
Trip nach China?
Wer
weiß was die Zukunft bringt…
Das einzige was ich
am heutigen Tage sagen kann:
Mich hat das
Reisefieber gepackt!
Und
dieses Reisefieber treibt nun Céline, Alina und mich zu neuen Ufern.
Das
Fruitpicking wurde beendet. Wir blicken nach vorne!
DIE NEUEN ABENTEUER
KÖNNEN KOMMEN!
Herzlichst,
dein
Andreas.