Adelaide!
Ja,
es ist soweit! Mit der Ankunft ist Adelaide und einem Blick auf die Landkarte wurde
es mir plötzlich bewusst:
Der
Kreis schließt sich!
Im
wahrsten Sinne des Wortes :)
Meine
Tour ist vollkommen! Ich bin am Ziel angelangt! Ein langer Weg liegt hinter
mir, Schritt für Schritt hat sich
die Reiseroute immer mehr ausgeweitet.
Ich
war stets auf der Suche nach dem Neuen, und so habe ich Orte und Plätze von
unglaublicher Schönheit gesehen, die ich mir nicht im Traum hätte ausmalen
können.
In
einer Seitenstraße in Adelaide reihten wir uns spät abends hinter ein paar
anderen parkenden Autos ein. Unser Campervan Juri wurde geparkt. Wir legten uns
gemütlich auf die Matratze und mit ein wenig Nostalgie ließ ich Bilder von der
zurückliegenden Tour durch Australien an meinem inneren Auge vorbeiwandern.
Ich
war stolz auf all die Herausforderungen, die wir gemeistert hatten, und ich
blickte in die Zukunft. Nur noch ein großes Projekt stand auf dem Plan:
Der Verkauf unseres
treuen Gefährten Juri.
Für
ihn ist leider kein Platz im Handgepäck und so müssen wir ihn
schweren Herzens
in Australien zurücklassen. Gedankenverloren schmiedete ich Pläne, wie wir den
Verkauf clever anstellen konnten, als plötzlich:
ZACK!
Ich
spürte, wie der komplette Van bedenklich wackelte. Ich schreckte auf und wusste
zunächst nicht wie uns geschah, doch Céline und Alina hatten sich
geistesgegenwärtig aufgesetzt. Dann plötzlich erkannte ich die Rücklichter vom
Geländewagen, der vor uns geparkt war. Beim Ausparken hatte er unseren Juri
erwischt.
Ohne
zu zögern drückte Alina auf die Hupe, doch das verdächtige Auto beschleunigte
und wir konnten nur noch die Rücklichter sehen. Fahrerflucht.
MAN,
ich konnte es nicht glauben. Sofort schälten wir uns aus unseren Schlafsäcken
und begutachteten nervös den Schaden an unserem Juri:
NICHTS.
Wir konnten es kaum glauben, aber er war unverletzt. Unser Freund Juri hatte
den Zwischenfall ohne Kratzer überstanden :) LUCKY!
Dann
plötzlich näherten sich Scheinwerfer. Ein Auto.
DAS FLÜCHTENDE AUTO! Sofort stellten wir
die Person hinter dem Steuer zur Rede!
Zunächst
war ich geschockt: Die ausparkende Person war ein MANN!
Er
entschuldigte sich sofort und meinte, er habe nichts bemerkt, aber er würde
natürlich für den Schaden aufkommen. Er war ehrlich und es war ihm sichtlich
unangenehm, gar peinlich!
Wir
verziehen ihm, es war schließlich kein Schaden entstanden. Wir kamen ins
Gespräch und es stellte sich heraus, dass er nur für seine Familie Pizza holen
wollte.
Sympathischer
Kerl, und nach ein wenig Smalltalk legten wir uns zurück in den Wagen.
Puh. Aufregender Abend!
Wir
spürten, dass uns der Juri wirklich mehr am Herzen lag, als wir vermuteten –
schließlich ist er Teil unserer Reisefamilie J Und wie ich mich
mit Céline und Alina unterhielt, klopfte es plötzlich an unserer Türe.
PUH!
WAS DENN JETZT?
Sofort
schoss mir ein Gedanken in den Kopf: Ordnungshüter! Er hat uns entlarvt und
will uns nun von unserem Schlafplatz vertreiben. Meine Stimmung sank.
Doch
statt einer tiefen Männerstimme hörte ich plötzlich Gekicher – von kleinen
Kindern. Ich blickte in die fragenden Gesichter von Céline und Alina und
öffnete vorsichtig die Türe:
Der
Familienvater von vorhin und eine Bande von kleinen Kids standen vor unserem
Van!
Sie
hatten drei Tassen heißen Tee und belegten Toast für uns in ihren Händen!
Der
Vater entschuldigte sich erneut für sein Ausparkmanöver und erzählte uns, dass
er selbst einmal Backpacker gewesen sei. Auch er hatte die Strapazen als
Reisender mitgemacht und so konnte er die Bedürfnisse von uns nur zu gut
nachfühlen.
Seine
Freundlichkeit kannte keine Grenzen:
Er
lud uns tatsächlich ein, am nächsten Tag in seinem Haus zu Frühstücken und dort
Dusche und Toilette zu benutzen! TRAUMHAFT!
Klingt
wie ein Märchen, oder?
Tatsächlich
hat dieser herzensgute Mensch drei wildfremde Backpacker in sein Haus
eingeladen. Ja, sein Verhalten ist so lobenswert und ich muss sagen:
Eine
solche Person ist wohl ein Vorbild für JEDEN von uns!
Wir
schlossen ihn sofort ins Herz und in unendlicher Dankbarkeit konnten wir am
nächsten Tag tatsächlich GETOASTETEN Toast genießen und eine WARME Dusche
benutzen. :)
Dann
plötzlich machte sich Abschiedsstimmung breit:
JURI! Ja, wir hatten
bereits Interessenten für unser treues Fahrzeug gefunden, und so war es jetzt
also offiziell: Juri wurde verkauft.
Ein
bewegender Moment, als der Kaufvertrag unterschrieben wurde und Juri plötzlich
nicht mehr in unserem Besitz war.
JURI! Für Céline, Alina
und mich war es damals der ERSTE Autokauf unseres Lebens!
Mehr
als nur ein Auto –
eher
ein Reisegefährte –
ein
Freund –
oder
gar ein BRUDER war er für mich gewesen!
Plötzlich
sahen wir nur noch die Rücklichter von ihm und dann war er auch schon mit
seinen neuen Besitzern hinter der nächsten Abbiegung verschwunden…
Ein
seltsames Gefühl machte sich in mir breit, und glaub mir: Céline, Alina und ich
teilten ein Gefühl: Wir waren bedrückt.
Bedrückt.
Zum einen weil unser Juri verkauft war und zum anderen, weil wir unsere
schweren Rucksäcke nun wieder selbst tragen mussten.
Dennoch
nahmen wir ohne zu zögern den Nachtbus von Adelaide nach Melbourne, denn ein
großes Abenteuer stand an: SILVERS CIRCUS!
Für
mich war es eine absolute Herzensangelegenheit meinem Zirkus einen letzten Besuch
abzustatten! Meine „Familie“ dort erneut zu treffen :)
Und
es gab noch einen weiteren Grund: Céline und Alina hatte ich während unseres
Roadtrips unzählige Male von meiner Zeit als Clown dort erzählt, und nun war es
an der Zeit: Ich wollte ihnen den Zirkus zeigen, die Show vorstellen!
Es
war bereits abends, als wir die letzten Schritte vom Bahnhof zu den Showgrounds
zurücklegten. Die Dunkelheit der Nacht offenbarte uns die großen beleuchteten
Lettern über dem Zirkuszelt: SILVERS
CIRCUS
Meine
Gefühle beim Anblick des Zeltes waren unbeschreiblich:
Riesige
Freude und auch ein wenig Stolz machte sich in mir breit. Ja, es war wie nach
Hause kommen. Alles war so vertraut!
UNGLAUBLICH
– ICH WAR ZURÜCK IN MEINER WELT :)
Es
warteten eine Menge Besucher vor dem Eingang, aber als wir uns näherten, sah
ich trotzdem bereits die ersten bekannten Gesichter :)
Mit
strahlendem Gesicht begrüßte ich die Mitarbeiter des Zirkus und sofort wurde
mir erzählt, dass ich eine Tradition eingeführt hatte:
„LADIES AND GENTLEMAN! THE DOORS ARE OPEN!“
Hatte
ich vor der Show zu sagen gepflegt, als die Türen ins Zelt für
die
Besucherschar geöffnet wurden :) Bis zum heutigen
Tag wird mein Brauch weitergeführt und kann ich nicht leugnen, dass ich stolz
war :)
Außerdem
wurde mir verraten, dass die Mitarbeiter und Artisten bereits seit einer Woche
untereinander tuschelten: „Andy wird zurückkommen, er wird uns besuchen“ :)
Ich
kam aus dem Grinsen nicht mehr heraus, dann plötzlich nahm uns Seiltänzerin
Emma zur Seite und führte uns an der wartenden Schlange vorbei durch den
Hintereingang ins Zirkuszelt. Unglaublich, wir wurden tatsächlich wie VIP-Gäste
behandelt :)
Es
war eine solch herzliche Begrüßung, die allerdings noch einen weiteren
Höhepunkt fand:
Céline,
Alina und mir wurde ein Platz in der ersten Reihe zugewiesen – obwohl das Zelt
mit knapp 800 Plätzen an diesem Abend ausverkauft war.
Es
war ein ungewohntes Gefühl, die Aufführung als Zuschauer zu begutachten. Ja, es
war seltsam. Dennoch hatte es seinen Reiz, denn sämtliche Artisten zwinkerten
mir von der Bühne aus zu oder winkten. All die netten Gesten, die mir
entgegengebracht wurden – ja, es war wirklich bewegend. Ich fühlte mich so
willkommen!
Und
dann plötzlich hörte ich eine allzu bekannte Musik:
Die Clowns!
Normalerweise
bereitete ich mich in diesem Moment hinter der Bühne auf meinen Auftritt vor,
aber am heutigen Tage war ich in der Zuschauerreihe und konnte meinem
Nachfolger auf die Finger sehen.
Und
dann plötzlich war der Zeitpunkt gekommen:
Es
wurde eine Person ausgewählt, die von den Clowns auf die Bühne geholt wurde.
In
meinen Gedanken hatte ich diese Situation bereits durchgespielt.
Ich
war mir sicher, dass sie nicht mich auswählen würden, denn ich kenne den
Auftritt zu gut.
Viel
mehr hatte ich erwartet, dass mein alter Clownkollege Dominik eine Person aus
meiner Begleitung auswählen würde, und so war es:
Alina musste auf die
Bühne!
Mit
viel Gelächter und Applaus von Céline und mir wurde der Auftritt unterstützt. :)
Dann
stand das „Grand Finally“ an: Alle Performer kamen noch einmal auf die Bühne,
um den finalen Applaus zu empfangen. Ich erklärte meinen zwei
Reisepartnerinnen, an welcher Position ich jetzt stehen würde!
Bevor
die Artisten wieder hinter dem Vorhang verschwunden sind, haben sie noch einmal
speziell in meine Richtung gewunken und dann wurde die Show beendet.
Da
waren wir nun also. Es war vermutlich das letzte Mal, dass ich die vertraute
Musik des Zirkus gehört habe und so machte sich ein wenig Traurigkeit breit.
Doch
dieses Gefühl wurde schnell überschattet, denn die Begeisterung bei Céline und
Alina kannte keine Grenzen: Sie waren euphorisch und begeistert von der Show
und all den großen Talenten, die unter diesem Zelt ihr Können vorgeführt haben!
Céline
beschrieb die Show gar als „gigantisch und atemberaubend“.
Ja,
ich war glücklich, dass ich ihnen diese Freude bereiten konnte! Um den Abend
unvergesslich zu machen, gab ich ihnen eine Backstageführung hinter die
Kulissen eines Zirkus und nahm sie anschließend mit, die Performer persönlich kennen
zu lernen!
Wir
suchten uns den Weg durch die Wohnwägen und führten ein nettes Gespräch mit
Zauberer Simon, bis es schließlich soweit war: Der Abschied. :)
Ein
war seltsamer Moment, meinen Freunden dort Lebewohl zu sagen.
Abschiedsstimmung
machte sich breit. Juri war bereits verkauft, den Zirkus habe ich nun auch
verabschiedet. Ja, es dauert nicht mehr lange, bis mein Flieger den
australischen Boden verlässt.
Wer
hat an der Uhr gedreht?
Ist
es wirklich schon so spät?
Australien.
Die
10 giftigsten Spinnen der Welt, Haie, Krokodile, Schlangen und Würfelquallen
nennen diesen Ort ihr zu Hause.
Dennoch
möchte ich an dieser Stelle etwas Positives verkünden:
ICH VERLASSE DAS
LAND LEBENDIG :)
Lebendig
und komplett vollständig mit zwei Armen und zwei Beinen kann ich die Heimreise
antreten :)
Es
ist soweit:
Ich
verlasse die einzige Insel der Welt, die auch ein Kontinent ist.
Ich
verlasse den einzigen Kontinent, der auch ein Land ist.
Ich
werde eine lange Reise vor mir haben, dennoch werde ich auf dem Weg von
Australien nach Deutschland Zeit gewinnen.
Einfach
so. Ich werde während meiner Reise keine neuen Falten bekommen und kaum altern.
Ein pfiffiges Kunststück wird vollbracht: Eine Weile werde ich unabhängig von Raum
und Zeit reisen, denn bei meiner Ankunft in Deutschland werde ich plötzlich
8
Stunden jünger als mein Ich hier in Australien. Verrückt.
Doch
von diesen haarigen Gedanken kommen wir nun lieber zurück zu den handfesten
Tatsachen:
Ich
freue mich unsäglich auf die Heimat!
Ich
hatte eine wunderschöne Zeit hier auf der anderen Seite der Erde, dennoch
ändert es nichts: Ich bin ein Familienmensch.
Ich
weiß genau, wo ich hingehöre und welche Menschen ich in meinem Leben brauche.
Ja,
wenn ich ehrlich bin: Ich könnte NIEMALS ohne meine Familie leben :)
Es
gibt Dinge, die sind einfach unersetzbar.
Dennoch
war dieser „Langzeitausflug“ optimal, um genau das zu realisieren:
Ich liebe meine
Familie über alles.
Es
war für mich zu keiner Zeit eine Option, in Australien zu bleiben. Ich musste
oft die Frage verneinen, ob ich mein Studium abblasen werde und für immer als
Clown im Zirkus bleibe.
Nun
gut – ich könnte mich vermutlich schon an ein Leben im Rampenlicht und
täglichem Applaus gewöhnen :)
Aber
dennoch: Nein. Meine Familie ist mir zu wichtig.
Und
nun ist es an der Zeit, man kann sagen:
Der
verlorene Sohn kehrt zurück!
Ja,
der Tag meiner Abreise ist nun fast gekommen.
So
lange macht man sich Gedanken über diesen einen Tag. Doch plötzlich steht er
vor der Türe und man fühlt sich nicht vorbereitet.
Glaub
mir, ich befinde mich aktuell in einer unglaublichen Gefühlsachterbahn.
Australien
hat mich verändert und ich bin gereift. Dieses Land hat sich einen Platz in
meinem Herzen erobert, aber dennoch kann ich es kaum erwarten, meine Familie
und meine Freunde in die Arme zu schließen. Es herrscht eine große Sehnsucht in
mir.
Der
Grund für meine Heimkehr könnte wohl kaum schöner sein. Eine Hochzeit.
Die
Hochzeit meiner Schwester Katharina :)
Ich
kann es kaum erwarten nach Hause zu kommen…
„… denn hier hast du das Fliegen gelernt.
Verlässt du das Nest, freust du dich umso mehr wiederzukehren!“
Bis
demnächst!
Dein
Andreas.