Ladies and gentlemen,
boys and girls, children of all ages!
Welcome to Silvers
Grand Magic Circus!
Stop.
Bevor du anfängst zu lesen:
Sieh dir als Vorgeschmack und Einstimmung auf diesen Bericht den Trailer zur Show des „Silvers
Circus“ an!
Der Link:
So.
Video angesehen? Mental auf meinen Bericht aus dem Zirkus eingestellt?
Gut,
dann darfst du jetzt weiterlesen :)
Ja,
seit Monaten schreibe ich mit der Sekretärin des Zirkus, Margaret, per Email:
Informationen
hin, Informationen her. Noch kurz eine Frage beantworten, aus Neugierde eine
Gegenfrage stellen. Das Übliche eben.
Alles
noch „chilli vanilli“ entspannt und gefühlt noch eine Ewigkeit für mich weg.
Deshalb
musste ich erstmal schlucken, als ich einen Blick auf meine angelegte
„To-do-before-Zirkus“-Liste warf:
-In Australien
ankommen – ERLEDIGT
-Super Reise mit Michi machen –
ERLEDIGT
-Aktueller Standort des Wanderzirkus
auskundschaften – ERLEDIGT
-Zugticket dorthin in Händen halten
- ERLEDIGT
Ja,
es war nun also soweit.
ALLE
nötigen Rahmenbedingungen für ein erstes Zusammentreffen mit meinem neuen
Arbeitgeber waren geschaffen.
Statt
Theorie und Emails schreiben war jetzt also Praxis und Erfahrungen sammeln
angesagt!
Noch
kurz einen Blick auf die geplanten Aufführungen geworfen, Rucksack
aufgeschnallt und los ging die Reise!
Nach
einer einstündigen Zugfahrt bin ich bereits vor der Mittagszeit an der
Zielstation angekommen.
Ich
hatte aber noch einen Fußmarsch zum endgültigen Ziel vor mir und kam mir dabei
vor wie in einer Schnitzeljagd!
Ich
hatte nämlich vorerst nur die Adresse des Zirkus in der Hand, sozusagen meine Hinweise
zum „Objekt der Begierde“!
Zunächst
stimmte nur die Stadt mit den Angaben in meiner Hand überein. Dann war ich auf
der Suche nach dem richtigen Stadtteil und entdeckte dabei ein Zirkusplakat –
also mein nächster Hinweis :)
Dann
plötzlich hatte ich das Straßenschild des „Princes Highway“ vor mir.
In
dieser Straße soll der Zirkus also stehen.
Mein
Blick wanderte die Straße entlang und zwischen den Bäumen schimmerte das
Zirkuszelt durch.
Ich hielt einen
Moment inne. Dann zückte ich meine Kamera für dieses Bild.
Ein
paar kleine Schritte für mich, ein großer Schritt in meinem Australienabenteuer!
Nach
der ersten kurzen Begrüßung von der Sekretärin Margaret bekam ich direkt eine
Führung von meinem Kollegen Timmy durch das „Zirkusdorf“, sprich durch die
ganzen Wohnwägen.
Einige
Personen auf dem Weg konnte ich gleich begrüßen und mich direkt vorstellen.
Andere hingegen waren gerade dabei sich auf die nächste Vorstellung
vorzubereiten, die in Kürze beginnen sollte.
Ach
ja: Besagte Vorbereitung fand bei den weiblichen Wesen – wie kann es anders
sein - vor dem Spiegel statt. Aber das nur am Rande :)
Dann
plötzlich blieb Timmy vor einem Wohnwagens stehen und öffnete die Türe mit
einem Schlüssel.
Hier
sei das Bett, hier der Kühlschrank, da das Waschbecken. Das sei mein neues
Zuhause und hier könne ich wohnen.
Zunächst
stand ich völlig perplex da!
Dann
plötzlich ein Gefühl von Freude: So
schnell bin ich also aufgenommen und so schnell habe ich eine neue Heimat!
Aber
ich hatte nicht lange Zeit, mich umzusehen: Wie bereits erwähnt liefen die
Vorbereitungen für die nächste Aufführung auf Hochtouren.
Und
diese Aufführung sollte meine Erste werden! Zunächst als Zuschauer!
So
machte ich mich also auf den Weg und ging vorbei an den Attraktionen, die der
Zirkus bereits am Eingang anbietet: Ein Popcorn- und Zuckerwatteverkauf, Eiscreme,
ein Karussell, Kuscheltiere und Spielzeug im Verkaufsstand. Einfach all das,
was ein Kinderherz begehrt.
Ich,
groß und bärtig, ließ mich davon nicht beeindrucken! Etwas völlig anderes hatte
meinen Blick gefangen: Die Mitarbeitershirts von der Zirkuscrew, die alle
geprägt von der Aufschrift „Silvers“ waren.
Sehen
schick aus, ich kann euch verraten: Ich wurde wirklich ein bisschen neidisch!
Aber
dann begab ich mich zum ersten Mal innerhalb des Zirkuszelt.
Zunächst
musterte ich die Sitzreihen, dann die Manege. Ich betrachtete die Discokugel an
der Decke und dann sah ich es: In großen Lettern stand über der Bühne!
Ich war angekommen.
Ich
durfte mir einen Platz meiner Wahl suchen, machte es mir bequem, und dann
ertönte bereits das Startsignal!
It´s showtime!
Meine
Sitzhaltung wechselte von gelassen zu hochkonzentriert: Ich wollte kein Detail
der Show verpassen!
Zu
den Zirkusakteuren zählen Stars aus allen Teilen der Welt und so hat es der
„Silvers Circus“ bereits in die „Top10 der weltbesten Zirkusse“ geschafft. Zu diesem Anlass wurde übrigens ein
Dokumentationsfilm gedreht, der auch im europäischen Fernsehen ausgestrahlt
wurde!
Und
nach diesen übergroßen Vorschusslorbeeren war ich natürlich gespannt, ob der
Zirkus auch das halten kann, was sein Ruf verspricht.
Und
ich wurde nicht enttäuscht, ganz und gar nicht:
Gefährliche
Acts, verblüffende Zaubertricks, spaßige Clowns und Eleganz in luftigen Höhen
zählten zum Programm, um euch in Stichworte einen kleinen Einblick zu geben!
Ich
muss zugeben, ich wurde ganz unruhig auf meinem Sitz und konnte es kaum
erwarten, die Darsteller persönlich kennen zu lernen!
Nach
einer Stunde gab es eine kleine Pause in der Show und ich nutzte sie, um mit
den Mitarbeitern an dem Eisstand und dem Karussell ins Gespräch zu kommen.
Es
blieb natürlich nicht genug Zeit, ihnen meine zahllosen Fragen zu stellen. Gut,
Ich untertreibe etwas. Ich habe sie gar mit meinen Fragen BOMBARDIERT :)
Wie
im Flug ging die Pause vorbei, denn ihr wisst:
THE SHOW MUST GO ON!
Eine
weitere Zeit puren Genusses wartete auf mich.
Der
letzte Act wurde dann noch mal richtig spannend!
Eine
rießige Stahlkugel wurde auf die Bühne gerollt:
Die „GLOBE OF DEATH“!
Zunächst
ein, dann gar zwei Motorradfahrer begaben sich in diese Kugel. Sie drehten
Loopings. Gar Freihändig. Und plötzlich fassten sie sich an den Händen und
drehten zusammen ihre Runden.
Als
ob es nicht schon gefährlich und spannend genug wäre, kündigte der Moderator
eine Dame an. Ohne Helm, ohne Schutzanzug begab sie sich in die Mitte der
Kugel. Ein Raunen ging durch die Menge.
Dann
zeigten die Motorradfahrer erneut ihr Können, drehten mehrerer Loopings und
entsprechend groß war der Applaus, als die Frau die Kugel unverletzt wieder
verließ.
Dann
plötzlich der Sound eines Motors hinter der Bühne: Motorradfahrer Numero 3!
Und
sie machten es tatsächlich möglich: Rad an Rad drehten die 3 Motorradfahrer mit
höchster Konzentration ihre Loopings!
Ich
muss zugeben: Ich war beeindruckt!
Dann
war es soweit: Zum „Grand Finally“ kamen noch einmal alle Akteure auf die
Bühne. Mit tosendem Applaus meinerseits verabschiedete ich sie zurück hinter
die Manege!
Die
Show war offiziell vorbei und der „Ringmaster“ verabschiedete die Zuschauer am
Ausgang.
Dieser
sogenannte „Ringmaster“ ist sozusagen der Moderator und die Stimme des Zirkus.
Er begrüßt die Zuschauer, kündigt die Acts an, schafft Stimmung und er belegt
sogar gleichzeitig die Rolle des Zauberers im Zirkus.
Ich
ließ mir die Chance nicht entgehen um bereits ein paar Worte mit ihm zu
wechseln. Er wusste direkt, dass ich der neue Mitarbeiter bin und so stellte er
sich vor: Simon
(Für
Oma: Allerdings nicht wie in Deutschland gesprochen, sondern: „Saimon“)
Es
ergab sich gleich eine lockere Stimmung. Ich muss sagen: Super Typ, dieser
Simon.
Nach
dieser Aufregung machte ich mich auf den Weg zu meinem Wohnwagen!
Wollte
in meinen „eigenen 4 Wänden“ ein bisschen das Erlebte verarbeiten und mir die
Situation klar machen: Das ist kein Traum! Ich befinde mich im
realen Leben!
Und
natürlich mein neues Zuhause etwas auskundschaften :)
Dieser
Mann ist Sohn des Zirkusinhabers und einer der drei Motorradfahrer der „Globe
of Death“!
Er
nahm mich mit zu seinem Wohnwagen und stattete mich mit meinen zukünftigen
Arbeitsoutfit aus: passende schwarze Hose und eine Kappe mit dem Logo des
Zirkus.
Und
dann hielt er ein T-Shirt mit dem „Silvers“ Schriftzug in den Händen, auf das
ich schon vor der Aufführung einen Blick geworfen hatte.
Er
überreichte es mir. Es breitete sich ein erneutes Glücksgefühl in mir aus und
ich darf mich jetzt stolzer Besitzer eines solchen Shirts nennen :)
So
war ich also von Kopf bis Fuß ausgestattet!
Sagte
ich „bis Fuß“?
Aus
meinem Rucksack konnte ich dem Zirkus nur Chucks, Sportschuhe und FlipFlops
bieten. Das lies sich allerdings nicht mit meinem Outfit vereinbaren und so
drückte mir Sekretärin Margaret Geld in die Hand und schickte mich los.
Elegante schwarze Schuhe sollte ich mir kaufen. Ich war erfolgreich.
Und
dann war der neue „Zirkusandy“ einsatzbereit!
Am
Abend stand bereits die nächste Aufführung auf dem Plan, meine Zweite.
Ich
schmiss mich in Schale und ich muss sagen, dass ich mich gut anfreunden konnte
mit meinem neuen Auftreten!
Mein
„Mentor“ hieß Jake. Er sollte mich in meine neue Arbeit einführen und ich hatte
mich schon mit einem Zettel für Notizen ausgestattet.
Er
wird mich in meine Arbeit einführen und ich solle ihm die komplette Show über
auf den Fersen bleiben! Ja, du denkst, das hört sich ganz easy an. War zunächst
auch mein erster Gedanke!
Es
war aber allerdings schwerer, als zunächst geahnt.
Die komplette zweistündige Show waren wir flink
unterwegs:
Mal links, mal rechts von der Bühne. Ja, sogar unter
der Bühne und auf der Bühne waren wir aktiv.
Mir kam es vor, als ob wir an jeder Ecke
gleichzeitig sein müssten. Es gab so viel zu tun und kaum war eine Arbeit
erledigt, stand schon die Nächste an.
Und ich muss zugeben: Ich kam mir etwas
überfordert vor, als ich daran dachte, dass das gerade die Einführung in MEINE
Arbeit ist. Sprich: Ich werde das alles machen. Und zwar alleine!
Und was meine Anspannung nicht gerade gelockert
hat ist die Tatsache, dass ich mich in einer Liveshow befinde! Es gibt keine
„Klappe, die Zweite“!
Es sitzen jede Menge Zuschauer auf den Rängen,
mit der Erwartung eine reibungslose Show zu sehen. Wie es jeder von uns auch
erwartet, wenn man sich eine Zirkusshow ansieht.
Resultat für mich: Jeder Handgriff muss sitzen!
Was sich genau hinter so einem „Handgriff“ und
meiner Arbeit verbirgt, darauf werde ich gleich genauer eingehen.
Ach ja: Das einzig Gute zu diesem Zeitpunkt
war: Ich musste bislang noch nichts selbst machen, sondern konnte meinem Mentor
einfach nur auf die Finger sehen.
Aber das Verrückte war: Dennoch war für meine
Notizen kaum Zeit und ich konnte nur bruchstückhaft mitschreiben.
So. Jetzt näheres zum Arbeitseinsatz während
der Show und besagtem „Handgriff“, den ich oben erwähnt hatte:
Dazu ein Einblick in einen Zaubertrick:
Unser Magier Simon zaubert zunächst zwei Damen
aus einer ursprünglich leeren Kiste auf der Bühne. Ach ja, wie das funktioniert
muss ich ihn mal noch fragen :)
Mit diesen Ladies tanzt er dann, während links
und rechts auf der Bühne zwei Stühle bereitgestellt werden. Auf diese Stühle
werden die Damen nacheinander tanzend von Simon platziert.
Dann liefert er noch eine kleine Show ab, wie
das Zauberer eben so machen, und wirft schließlich ein Tuch über die erste
Dame, Sekunden später auch über die zweite Dame.
Dann werden beide Tücher entfernt und es stehen
nur 2 leere Stühle da!
So. Das war der Teil der sich AUF der Bühne
abspielt.
Jetzt parallel dazu mein Part:
Mein Mentor und ich haben uns unter die Bühne
bewegt. Wir befinden uns also direkt unter dem Ort des Geschehens. Nur durch
eine kleine Lücke im Bühnenboden ist es möglich zu erahnen, was gerade auf der
Bühne passiert.
Aber man MUSS den Moment erkennen, in dem besagtes
Tuch über der ersten Dame landet, denn dann bleiben nur Sekunden für den Job
unter der Bühne:
Die Falltüre in der Bühne muss geöffnet werden.
Dann muss man mit dem Arm durch diese Falltüre und oben am Stuhl ein weiteres
Scharnier öffnen, um die Sitzfläche des Stuhles zu öffnen! Anschließend muss
man die Dame durch die Falltüre unter die Bühne ziehen.
Kaum berührt sie den Boden muss man eigentlich
schon an der nächsten Falltüre sein, die sich am anderen Ende der Bühne unter
dem nächsten Stuhl befindet.
Auch dort muss der gleiche Arbeitsschritt
innerhalb von Sekunden stattfinden.
Und die größte Herausforderung dabei: Unter der
Bühne kann man kaum etwas sehen, ohne Taschenlampe ist man komplett
aufgeschmissen. Im Prinzip muss man also fast blind den Standort dieser beiden
Falltüren finden können.
Ich muss zugeben, ich hatte total Herzklopfen,
als ich das erste Mal bei dem Geschehen unter der Bühne dabei war, wirklich
total spannend. Und das obwohl ich zu dem Zeitpunkt eigentlich noch keinerlei
Verantwortung hatte!
Aber auch auf der Bühne gibt es einiges zu tun:
Beispielsweise soll ich für den Flammenwerfer bei
der Vorstellung von Yibi, einem unserer zwei Jongleure, zuständig sein.
Eine andere Aufgabe für mich soll sein, an
bestimmten Stellen Rauch zu erzeugen, um zusammen mit den Lichteffekten eine
spannende Atmosphäre herzustellen.
Auch soll ich das „Wheel of Steel“ aufbauen.
Das ist ein Rad, das sich dreht, und auf dem ein Artist in fast 8 Metern Höhe balancieren
und sogar Seilspringen wird, teilweise mit Tuch über den Augen.
Auch beim letzten Act, der „Globe of Death“ mit
den Motorradfahrern die Loopings drehen, soll ich die Stahlkugel der Bühne
installieren.
Ja, und das ist nur ein kleiner Auszug aus der
zweistündigen Show. Soll euch einen kleinen Einblick geben, was der Zirkus
alles für mich vorgesehen hat!
Aber
wie gesagt, es ist noch einiges mehr: Mein Mentor und ich waren in der Show
nahezu ohne Pause im Einsatz! Man darf an keiner Ecke fehlen! Oft sind es
kleine Arbeiten mit großer Wirkung! Und die Artisten und Künstler verlassen
sich 100% auf einen. Das Timing ist sehr, sehr wichtig, da muss man wirklich
zuverlässig sein.
Das war also mein Eindruck nach meiner ersten
Show, die ich „Backstage“ miterlebt habe. Das wird es für mich zu tun geben,
das habe ich alles zu lernen!
Und glaubt mir, nach dieser ersten Show war ich
bedient, fertig, müde, erschöpft, aber doch trotz allem überwältigt von meinen
Eindrücken und das Wichtigste: GLÜCKLICH.
Ja,
und erst jetzt befinden wir uns am Ende meines ersten Tages im Zirkus. Ihr
seht, es waren unglaublich viele neue Eindrücke für mich an diesem Tag.
Und
zu diesem Zeitpunkt gab es für mich nur noch genau EIN Ziel:
Mein
Bett.
Und
meine erste Nacht im Wohnwagen, meine erste Nacht im Zirkus und auch
gleichzeitig meine erste Nacht im neuen Zuhause, konnte ich wunderbar schlafen!
Das
könnt ihr mir glauben! :)
Am folgenden Tag standen wieder zwei
Aufführungen mittags und abends an.
Während der ersten Vorstellung versuchte ich
mich erneut mit meinen Notizen, und konnte ein paar Lücken füllen. Dennoch
alles noch sehr, sehr bruchstückhaft!
In der Mittagspause und im Laufe des Tages
stellte sich dann in einigen Gesprächen heraus, dass auch die anderen
Mitarbeiter in ihren ersten Shows überfordert waren mit der Fülle an Aufgaben,
das sei also völlig normal! Allerdings würde sich das nach wenigen Wochen
legen.
Ich muss sagen, das beruhigte mich.
Dann haben sie mir erzählt, dass mein Vorgänger
2 Wochen Zeit hatte um den Showablauf und die dazugehörigen Aufgaben zu lernen,
auch das beruhigte mich sehr.
Aber diese Beruhigung währte leider nicht lange!
Genauer gesagt nur bis zu ihrem nächsten Satz:
In seiner ersten Show hat er nämlich trotz
allem den Zaubertrick direkt RICHTIG versaut:
Bei der großen Enthüllung sollten ja eigentlich
zwei leere Stühle unter den zwei Tüchern hervorkommen. Bei seiner Premiere
allerdings saß noch eine Dame auf dem Stuhl und zu allem Übel kam noch dazu,
dass er seine Hand gerade durch die Falltüre in der Bühne streckte und sie
somit für das komplette Publikum zu sehen war. Sprich: Er war schlicht zu
langsam um beide Stühle zu erledigen.
Es ist also wirklich tricky, den Job innerhalb
von Sekunden zu erledigen. Und das hat meine Anspannung nicht gerade gelockert!
Das Problem war nur, dass sich die anderen
Mitarbeiter im Zirkus darüber amüsieren konnten, aber ich für meinen Teil fand
das gar nicht mal so witzig!
Schließlich hatte ich meine Premiere noch vor
mir! Aber ich werde ja noch 2 Wochen Zeit haben um meinen Job zu lernen, so wie
mein Vorgänger :)
Da werde ich also noch genügend Zeit haben,
mich darauf vorzubereiten!
Dann aber gab es einen „Wendepunkt in der
Geschichte“:
Es stellte sich heraus, dass mein Mentor
bereits nach der Show heute Abend abreisen wird und ich somit bereits morgen auf
mich alleine gestellt war.
Zunächst
Schock.
Ich
sollte nach 2 Tagen bereits alleine den Job übernehmen? MORGEN die Falltüre
betätigen? MORGEN die komplette 2stündige Show meinen Job erledigen?
Ich konnte es nicht glauben. Aber was blieb mir
anderes übrig? Kopf in den Sand stecken? Direkt wieder abreisen?
NEIN, kommt natürlich nicht in Frage!
Ich übte mich in Selbstmotivation und versuchte
einfach, das Positive in der Situation zu sehen:
Und
so tröstete ich mich damit, dass wenigstens niemand durchstochen wird, wenn ich
die Falltüre nicht rechtzeitig betätige :)
Ja,
ihr seht schon: Meine ersten 2 Tage waren nicht zum akklimatisieren da! Es gab
kein lockeres einarbeiten für mich! Im Gegenteil:
Statt plaudern und quatschen mit den Zirkusleuten
stand richtiges pauken auf dem Plan. Wie vor dem Abitur.
Ich ging meine bislang noch bruchstückhaften
Notizen durch, versuchte mit dem Ablaufplan eine Struktur in meinen Kopf
bekommen. Zum Vergleich: Die Schüler unter euch kennen sicherlich den Moment am
Tag vor einer Klassenarbeit, in dem man abends das erste Mal sein Heft
aufschlägt. :)
Der
Unterschied in diesem Falle war allerdings, dass ich nicht durch meine
Nachlässigkeit in diese Situation geraten bin.
Und
wie sagt man so schön: „Jemanden ins kalte Wasser werfen“!
Dieser
„Jemand“ war in diesem Falle ich, und das „kalte Wasser“ kam mir leider EISKALT
vor!
Aber
ich wollte die Herausforderung meistern!
Ich wusste, dass ich noch die Show am Abend hatte!
Genau EINE Show um meinem Mentor nochmal auf die Finger zu sehen! Und diese
Chance würde ich nutzen!
So
war ich in der Show am Abend hochkonzentriert! Und sehr fleißig mit meinem
Stift aktiv. Ich versuchte so flink wie möglich zu sein, und meine Notizen
waren mittlerweile annehmbar :)
Aber
nachdem die Show abends um 21 Uhr vom Ringmaster beendet wurde stand für mich
noch kein Feierabend auf dem Programm:
Da
sich natürlich auch der Zirkus im Klaren war, vor welch große Herausforderung
sie mich stellen, wurde extra eine Probe mit dem Zauberer und den Damen für
meine beiden Falltüren angesetzt!
So
hatte ich eine Generalprobe in der ich mich doch recht wacker geschlagen habe
und durfte mir sogar ein Lob abholen :)
Und
dann fiel ich todmüde in mein Bett! Schließlich stand bald der große Tag an:
Ich
war nun also bereit. Nach einem 2-Tages-Crashkurs in Sachen Zirkusarbeit stand
meine erste Show auf dem Plan. Es gab viele beruhigende Worte von den Artisten,
dass sie mir gerne auch Tipps geben, wenn möglich.
Trotzdem
startete ich mit etwas flauem Magen meine Arbeit!
Und
zurückblickend darf ich stolz berichten: Es bleibt auch weiterhin ein Rätsel,
wie die 2 Damen auf den Stühlen plötzlich verschwinden! Der Zaubertrick hat
nämlich geklappt!
JA,
ich habe meine erste Show gemeistert :) :) Auch die anderen
Aufgaben konnte ich in den richtigen Momenten erledigen!
Zusammenfassend
zu meinem ersten Eindruck zur Arbeit im Zirkus ist mir folgender Vergleich
eingefallen:
Die Show ist wie ein
Uhrwerk: Jedes Zahnrad muss in das andere greifen, damit die Show etwas wird.
Denn
hinter den Kulissen unterstützen die Artisten, wenn sie nicht gerade selbst auf
der Bühne stehen, die Show der anderen und alle sich gegenseitig.
Und
es ist hochinteressant, mit den Akteuren Hand in Hand zusammenzuarbeiten.
Ja,
und dann ging es in die dreiwöchige Pause, die ich auf der Farm des
Zirkusinhabers Anton Gasser verbracht habe! Dort konnte ich ja die
Zirkusutensilien der letzten 30 Jahre erkunden und der Geschichte des Zirkus
auf den Grund gehen! Den Bericht dazu habt ihr ja bereits gelesen!
Jetzt
haben wir unser Zirkuszelt wieder aufgeschlagen und befinden uns jetzt fast in
der Melbourner Innenstadt! Total klasse für mich, da in der Millionenstadt
natürlich einiges geboten ist!
Beim
Aufbau des Zeltes hier haben natürlich alle Zirkusmitarbeiter geholfen.
Als
ich beispielsweise mit Jongleur Yibi (Auf dem Bild mit schwarz-rotem Anzug) den
roten Teppich auf der Bühne ausgerollt habe ist die Artistin an den Ringen,
Rosita Gasser, gekommen und hat uns als kleine Stärkung ein Eis gebracht :)
Und
mittlerweile lebe ich mich hier richtig ein! Der Zirkus bietet mir hier eine
Unterkunft im Wohnwagen mit eigenem Kühlschrank und Waschbecken! Und auch die
Verpflegung wird gestellt und ich habe sogar die Möglichkeit meine Reisekasse
aufzufüllen :)
Ich
bin einziger Work&Traveller, die anderen sind alle fest angestellt!
Ach
ja, das Witzige ist, dass die Akteure direkt vor der Show ganz unspektakuläre
Dinge machen. Sprich: Zuckerwatte machen, Popcorn in Tüten verpacken,
Plüschtiere im Zirkusshop verkaufen. Oder wie Dominik Gasser vor der Show noch
das Karussell, das zum Zirkus gehört, betreiben und dann nachher mit dem
Motorrad in die „Globe of Death“ steigen und sehr gefährliche Show abliefern.
Ja,
und mittlerweile lerne ich die Artisten alle näher kennen!
Mit
Dominik Gasser, Motorradfahrer, verstehe ich mich besonders gut und wir haben
festgestellt, dass wir ziemlich den gleichen Musik- und Autogeschmack haben!
Auch
mit den anderen Artisten habe ich mich bereits angefreundet und Yibi, Jongleur
aus Argentinien, will mich zurzeit davon überzeugen, dass Lionel Messi sich den
Titel „Weltfußballer“ redlich verdient hat. Ich zeige ihm dabei nur die kalte
Schulter und erinnere ihn an die WM 2010, bei dem Deutschland Argentinien mit
4:0 abgezogen hat! :) Das hört er nicht gerne!
Bei
allem Spaß, den wir haben, bin ich aber stets interessiert, die jeweiligen
persönlichen Geschichten der Artisten zu erforschen! Sie kommen, wie bereits
erwähnt, aus allen Teilen der Welt und so unterschiedlich die Kulturen sind, so
unterschiedlich sind auch die jeweiligen Geschichten.
Gypsi
Gomez aus Südamerika (Auf dem Foto mit der Discokugel) war beispielsweise auch
schon im Zirkus Krone in Deutschland aktiv.
Was
ich bislang sehr bemerkenswert finde: Die Artisten stammen wirklich fast alle
aus seit Generationen bestehenden Zirkusfamilien und sind somit auch im Zirkus
geboren!
Und
da möchte ich doch gerade auf die Geschichte des Zirkusdirektors Anton Gasser etwas
näher eingehen. Es ist wirklich eine Bilderbuchgeschichte. Eben so, wie man sich
eine „richtige“ Zirkusfamilie vorstellt:
Die
Familie Gasser stammt aus der Schweiz und unterhält seit den Ursprüngen im
Jahre 1437 seit Generationen Menschen mit ihren Vorführungen!
Die
Leidenschaft zum Zirkusleben wurde also von Generation zu Generation
weitervererbt!
Zirkusinhaber
und damals Tierdompteur Anton Gasser wanderte dann 1976 von der Schweiz nach
Australien aus und betreibt seither den „Silvers Circus“ hier.
Auch
hier wurden aus der Familie Artisten und Künstler hervorgebracht und drei Mitglieder
der Gasserfamilie sind auch derzeit hier im Zirkus aktiv auf der Bühne.
Die
Brüder von Anton Gasser und seine nähere Verwandschaft betreibt noch einen
weiteren Zirkus hier in Australien und weitere Zirkusse in der Schweiz und
anderen Ländern Europas!
Man
kann wirklich sagen, dass diese Familie den Zirkus und die Unterhaltung im Blut
hat.
Ach
ja, da Anton Gasser ja aus der Schweiz kommt, spreche ich sogar hin und wieder
deutsch mit ihm!
Ach,
und für die nähere Zukunft ist für mich übrigens bereits weitere Arbeit in der
Show in Planung:
Ich
werde in Zukunft eng mit dem Zauberer zusammenarbeiten. Dabei werde ich mit ihm
auf der Bühne einen Trick durchführen. Ich werde mit schwarzem Hemd und Hut
ausgestattet und werde Cassandra Gasser (Nichte des Zirkusdirektors, Bildmitte)
zu einer Kiste tragen.
Sobald
sich Cassandra in der Kiste befindet wird Zauberer Simon spitzige Stäbe in
Brand setzten und mit diesen die Kiste durchstechen.
Noch
ein weiterer Akt ist für mich geplant: Ich werde mit Jongleur Ricardo auf der
Bühne sein und ihm während seines Auftritts in den richtigen Momenten Keulen
und Ringe zuwerfen!
Ihr
seht, es bleibt spannend!
So,
aber jetzt heißt es erstmal: Abwarten bis zu meinem Geburtstag!
Und
zwar zum ersten Mal in meinem Leben nicht im trauten Heim – sondern wahrhaftig
in einem Zirkus!
Ich
habe hier mein Geburtsdatum schon in die Runde geworfen! Sonst würde ich womöglich
am Ende noch dastehen, ohne dass einer weiß, dass ich Geburtstag habe :)
Und
wer weiß, vielleicht planen sie ja eine riesige Überraschungsfete im Zirkuszelt :)
Ach
ja: Ich habe glücklicherweise dieses Jahr an einem Dienstag Geburtstag!
Wer
weiß was hier im Zirkus sonst passieren würde, wenn ich am Freitag, den 13.
November Geburtstag hätte :)
So! Aber jetzt genug
von mir! Schreib mir, wie es bei DIR im Moment läuft :)
Ich
bin gespannt auf deine Nachricht!
Andreas
PS: Bei dem Video zu Beginn könnt ihr direkt zu Beginn bei 0:06min einen Teil von meinem Wohnwagen sehen! Hinter den Vorhängen wohne ich :)
PPS:
Das bin ich vor dem Zirkuszelt und der „GLOBE OF DEATH“