Sonntag, 11. November 2012

SILVERS CIRCUS



 Ladies and gentlemen, boys and girls, children of all ages!
Welcome to Silvers Grand Magic Circus!




Stop. Bevor du anfängst zu lesen:
Sieh dir als Vorgeschmack und Einstimmung auf diesen Bericht den Trailer zur Show des „Silvers Circus“ an!
Der Link:

So. Video angesehen? Mental auf meinen Bericht aus dem Zirkus eingestellt?
Gut, dann darfst du jetzt weiterlesen :)
Ja, seit Monaten schreibe ich mit der Sekretärin des Zirkus, Margaret, per Email:
Informationen hin, Informationen her. Noch kurz eine Frage beantworten, aus Neugierde eine Gegenfrage stellen. Das Übliche eben.
Alles noch „chilli vanilli“ entspannt und gefühlt noch eine Ewigkeit für mich weg.
Deshalb musste ich erstmal schlucken, als ich einen Blick auf meine angelegte
„To-do-before-Zirkus“-Liste warf:
            -In Australien ankommen – ERLEDIGT
            -Super Reise mit Michi machen – ERLEDIGT
            -Aktueller Standort des Wanderzirkus auskundschaften – ERLEDIGT
            -Zugticket dorthin in Händen halten - ERLEDIGT

Ja, es war nun also soweit.
ALLE nötigen Rahmenbedingungen für ein erstes Zusammentreffen mit meinem neuen Arbeitgeber waren geschaffen.
Statt Theorie und Emails schreiben war jetzt also Praxis und Erfahrungen sammeln angesagt!
Noch kurz einen Blick auf die geplanten Aufführungen geworfen, Rucksack aufgeschnallt und los ging die Reise!
Nach einer einstündigen Zugfahrt bin ich bereits vor der Mittagszeit an der Zielstation angekommen.
Ich hatte aber noch einen Fußmarsch zum endgültigen Ziel vor mir und kam mir dabei vor wie in einer Schnitzeljagd!
Ich hatte nämlich vorerst nur die Adresse des Zirkus in der Hand, sozusagen meine Hinweise zum „Objekt der Begierde“!
Zunächst stimmte nur die Stadt mit den Angaben in meiner Hand überein. Dann war ich auf der Suche nach dem richtigen Stadtteil und entdeckte dabei ein Zirkusplakat – also mein nächster Hinweis :)
Dann plötzlich hatte ich das Straßenschild des „Princes Highway“ vor mir.
In dieser Straße soll der Zirkus also stehen.
Mein Blick wanderte die Straße entlang und zwischen den Bäumen schimmerte das Zirkuszelt durch.



Ich hielt einen Moment inne. Dann zückte ich meine Kamera für dieses Bild.
Ein paar kleine Schritte für mich, ein großer Schritt in meinem Australienabenteuer!

Nach der ersten kurzen Begrüßung von der Sekretärin Margaret bekam ich direkt eine Führung von meinem Kollegen Timmy durch das „Zirkusdorf“, sprich durch die ganzen Wohnwägen.
Einige Personen auf dem Weg konnte ich gleich begrüßen und mich direkt vorstellen. Andere hingegen waren gerade dabei sich auf die nächste Vorstellung vorzubereiten, die in Kürze beginnen sollte.
Ach ja: Besagte Vorbereitung fand bei den weiblichen Wesen – wie kann es anders sein - vor dem Spiegel statt. Aber das nur am Rande :)

Dann plötzlich blieb Timmy vor einem Wohnwagens stehen und öffnete die Türe mit einem Schlüssel.
Hier sei das Bett, hier der Kühlschrank, da das Waschbecken. Das sei mein neues Zuhause und hier könne ich wohnen.

Zunächst stand ich völlig perplex da!
Dann plötzlich ein Gefühl von Freude: So schnell bin ich also aufgenommen und so schnell habe ich eine neue Heimat!
Aber ich hatte nicht lange Zeit, mich umzusehen: Wie bereits erwähnt liefen die Vorbereitungen für die nächste Aufführung auf Hochtouren.

Und diese Aufführung sollte meine Erste werden! Zunächst als Zuschauer!
So machte ich mich also auf den Weg und ging vorbei an den Attraktionen, die der Zirkus bereits am Eingang anbietet: Ein Popcorn- und Zuckerwatteverkauf, Eiscreme, ein Karussell, Kuscheltiere und Spielzeug im Verkaufsstand. Einfach all das, was ein Kinderherz begehrt.
Ich, groß und bärtig, ließ mich davon nicht beeindrucken! Etwas völlig anderes hatte meinen Blick gefangen: Die Mitarbeitershirts von der Zirkuscrew, die alle geprägt von der Aufschrift „Silvers“ waren.
Sehen schick aus, ich kann euch verraten: Ich wurde wirklich ein bisschen neidisch!
Aber dann begab ich mich zum ersten Mal innerhalb des Zirkuszelt.

Zunächst musterte ich die Sitzreihen, dann die Manege. Ich betrachtete die Discokugel an der Decke und dann sah ich es: In großen Lettern stand über der Bühne!

Ich war angekommen.
Ich durfte mir einen Platz meiner Wahl suchen, machte es mir bequem, und dann ertönte bereits das Startsignal!
It´s showtime!
Meine Sitzhaltung wechselte von gelassen zu hochkonzentriert: Ich wollte kein Detail der Show verpassen!
Zu den Zirkusakteuren zählen Stars aus allen Teilen der Welt und so hat es der „Silvers Circus“ bereits in die Top10 der weltbesten Zirkusse geschafft. Zu diesem Anlass wurde übrigens ein Dokumentationsfilm gedreht, der auch im europäischen Fernsehen ausgestrahlt wurde!
Und nach diesen übergroßen Vorschusslorbeeren war ich natürlich gespannt, ob der Zirkus auch das halten kann, was sein Ruf verspricht.

Und ich wurde nicht enttäuscht, ganz und gar nicht:
Gefährliche Acts, verblüffende Zaubertricks, spaßige Clowns und Eleganz in luftigen Höhen zählten zum Programm, um euch in Stichworte einen kleinen Einblick zu geben!
Ich muss zugeben, ich wurde ganz unruhig auf meinem Sitz und konnte es kaum erwarten, die Darsteller persönlich kennen zu lernen!

Nach einer Stunde gab es eine kleine Pause in der Show und ich nutzte sie, um mit den Mitarbeitern an dem Eisstand und dem Karussell ins Gespräch zu kommen.
Es blieb natürlich nicht genug Zeit, ihnen meine zahllosen Fragen zu stellen. Gut, Ich untertreibe etwas. Ich habe sie gar mit meinen Fragen BOMBARDIERT :)
Wie im Flug ging die Pause vorbei, denn ihr wisst:


THE SHOW MUST GO ON!
Eine weitere Zeit puren Genusses wartete auf mich.

 
Der letzte Act wurde dann noch mal richtig spannend!
Eine rießige Stahlkugel wurde auf die Bühne gerollt:
Die „GLOBE OF DEATH“!


Zunächst ein, dann gar zwei Motorradfahrer begaben sich in diese Kugel. Sie drehten Loopings. Gar Freihändig. Und plötzlich fassten sie sich an den Händen und drehten zusammen ihre Runden.
Als ob es nicht schon gefährlich und spannend genug wäre, kündigte der Moderator eine Dame an. Ohne Helm, ohne Schutzanzug begab sie sich in die Mitte der Kugel. Ein Raunen ging durch die Menge.
Dann zeigten die Motorradfahrer erneut ihr Können, drehten mehrerer Loopings und entsprechend groß war der Applaus, als die Frau die Kugel unverletzt wieder verließ.
Dann plötzlich der Sound eines Motors hinter der Bühne: Motorradfahrer Numero 3!
Und sie machten es tatsächlich möglich: Rad an Rad drehten die 3 Motorradfahrer mit höchster Konzentration ihre Loopings!
Ich muss zugeben: Ich war beeindruckt!

Dann war es soweit: Zum „Grand Finally“ kamen noch einmal alle Akteure auf die Bühne. Mit tosendem Applaus meinerseits verabschiedete ich sie zurück hinter die Manege!

Die Show war offiziell vorbei und der „Ringmaster“ verabschiedete die Zuschauer am Ausgang.
Dieser sogenannte „Ringmaster“ ist sozusagen der Moderator und die Stimme des Zirkus. Er begrüßt die Zuschauer, kündigt die Acts an, schafft Stimmung und er belegt sogar gleichzeitig die Rolle des Zauberers im Zirkus.
Ich ließ mir die Chance nicht entgehen um bereits ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Er wusste direkt, dass ich der neue Mitarbeiter bin und so stellte er sich vor: Simon
(Für Oma: Allerdings nicht wie in Deutschland gesprochen, sondern: „Saimon“)
Es ergab sich gleich eine lockere Stimmung. Ich muss sagen: Super Typ, dieser Simon.




Nach dieser Aufregung machte ich mich auf den Weg zu meinem Wohnwagen!
Wollte in meinen „eigenen 4 Wänden“ ein bisschen das Erlebte verarbeiten und mir die Situation klar machen:  Das ist kein Traum! Ich befinde mich im realen Leben!
Und natürlich mein neues Zuhause etwas auskundschaften :)

Aber kaum angekommen, klopfte es an der Türe. Dominik stand da.
Dieser Mann ist Sohn des Zirkusinhabers und einer der drei Motorradfahrer der „Globe of Death“!
Er nahm mich mit zu seinem Wohnwagen und stattete mich mit meinen zukünftigen Arbeitsoutfit aus: passende schwarze Hose und eine Kappe mit dem Logo des Zirkus.
Und dann hielt er ein T-Shirt mit dem „Silvers“ Schriftzug in den Händen, auf das ich schon vor der Aufführung einen Blick geworfen hatte.
Er überreichte es mir. Es breitete sich ein erneutes Glücksgefühl in mir aus und ich darf mich jetzt stolzer Besitzer eines solchen Shirts nennen :)
So war ich also von Kopf bis Fuß ausgestattet!
Sagte ich „bis Fuß“?
Aus meinem Rucksack konnte ich dem Zirkus nur Chucks, Sportschuhe und FlipFlops bieten. Das lies sich allerdings nicht mit meinem Outfit vereinbaren und so drückte mir Sekretärin Margaret Geld in die Hand und schickte mich los. Elegante schwarze Schuhe sollte ich mir kaufen. Ich war erfolgreich.
Und dann war der neue „Zirkusandy“ einsatzbereit!

Am Abend stand bereits die nächste Aufführung auf dem Plan, meine Zweite.
Ich schmiss mich in Schale und ich muss sagen, dass ich mich gut anfreunden konnte mit meinem neuen Auftreten!

Mein „Mentor“ hieß Jake. Er sollte mich in meine neue Arbeit einführen und ich hatte mich schon mit einem Zettel für Notizen ausgestattet.
Er wird mich in meine Arbeit einführen und ich solle ihm die komplette Show über auf den Fersen bleiben! Ja, du denkst, das hört sich ganz easy an. War zunächst auch mein erster Gedanke!
Es war aber allerdings schwerer, als zunächst geahnt.
Die komplette zweistündige Show waren wir flink unterwegs:
Mal links, mal rechts von der Bühne. Ja, sogar unter der Bühne und auf der Bühne waren wir aktiv.
Mir kam es vor, als ob wir an jeder Ecke gleichzeitig sein müssten. Es gab so viel zu tun und kaum war eine Arbeit erledigt, stand schon die Nächste an.
Und ich muss zugeben: Ich kam mir etwas überfordert vor, als ich daran dachte, dass das gerade die Einführung in MEINE Arbeit ist. Sprich: Ich werde das alles machen. Und zwar alleine!
Und was meine Anspannung nicht gerade gelockert hat ist die Tatsache, dass ich mich in einer Liveshow befinde! Es gibt keine „Klappe, die Zweite“!
Es sitzen jede Menge Zuschauer auf den Rängen, mit der Erwartung eine reibungslose Show zu sehen. Wie es jeder von uns auch erwartet, wenn man sich eine Zirkusshow ansieht.
Resultat für mich: Jeder Handgriff muss sitzen!
Was sich genau hinter so einem „Handgriff“ und meiner Arbeit verbirgt, darauf werde ich gleich genauer eingehen.
Ach ja: Das einzig Gute zu diesem Zeitpunkt war: Ich musste bislang noch nichts selbst machen, sondern konnte meinem Mentor einfach nur auf die Finger sehen.
Aber das Verrückte war: Dennoch war für meine Notizen kaum Zeit und ich konnte nur bruchstückhaft mitschreiben.
So. Jetzt näheres zum Arbeitseinsatz während der Show und besagtem „Handgriff“, den ich oben erwähnt hatte:
Dazu ein Einblick in einen Zaubertrick:
Unser Magier Simon zaubert zunächst zwei Damen aus einer ursprünglich leeren Kiste auf der Bühne. Ach ja, wie das funktioniert muss ich ihn mal noch fragen :)
Mit diesen Ladies tanzt er dann, während links und rechts auf der Bühne zwei Stühle bereitgestellt werden. Auf diese Stühle werden die Damen nacheinander tanzend von Simon platziert.
Dann liefert er noch eine kleine Show ab, wie das Zauberer eben so machen, und wirft schließlich ein Tuch über die erste Dame, Sekunden später auch über die zweite Dame.
Dann werden beide Tücher entfernt und es stehen nur 2 leere Stühle da!
So. Das war der Teil der sich AUF der Bühne abspielt.
Jetzt parallel dazu mein Part:
Mein Mentor und ich haben uns unter die Bühne bewegt. Wir befinden uns also direkt unter dem Ort des Geschehens. Nur durch eine kleine Lücke im Bühnenboden ist es möglich zu erahnen, was gerade auf der Bühne passiert.
Aber man MUSS den Moment erkennen, in dem besagtes Tuch über der ersten Dame landet, denn dann bleiben nur Sekunden für den Job unter der Bühne:
Die Falltüre in der Bühne muss geöffnet werden. Dann muss man mit dem Arm durch diese Falltüre und oben am Stuhl ein weiteres Scharnier öffnen, um die Sitzfläche des Stuhles zu öffnen! Anschließend muss man die Dame durch die Falltüre unter die Bühne ziehen.
Kaum berührt sie den Boden muss man eigentlich schon an der nächsten Falltüre sein, die sich am anderen Ende der Bühne unter dem nächsten Stuhl befindet.
Auch dort muss der gleiche Arbeitsschritt innerhalb von Sekunden stattfinden.
Und die größte Herausforderung dabei: Unter der Bühne kann man kaum etwas sehen, ohne Taschenlampe ist man komplett aufgeschmissen. Im Prinzip muss man also fast blind den Standort dieser beiden Falltüren finden können.
Ich muss zugeben, ich hatte total Herzklopfen, als ich das erste Mal bei dem Geschehen unter der Bühne dabei war, wirklich total spannend. Und das obwohl ich zu dem Zeitpunkt eigentlich noch keinerlei Verantwortung hatte!


Aber auch auf der Bühne gibt es einiges zu tun:
Beispielsweise soll ich für den Flammenwerfer bei der Vorstellung von Yibi, einem unserer zwei Jongleure, zuständig sein.
Eine andere Aufgabe für mich soll sein, an bestimmten Stellen Rauch zu erzeugen, um zusammen mit den Lichteffekten eine spannende Atmosphäre herzustellen.
Auch soll ich das „Wheel of Steel“ aufbauen. Das ist ein Rad, das sich dreht, und auf dem ein Artist in fast 8 Metern Höhe balancieren und sogar Seilspringen wird, teilweise mit Tuch über den Augen.
Auch beim letzten Act, der „Globe of Death“ mit den Motorradfahrern die Loopings drehen, soll ich die Stahlkugel der Bühne installieren.

Ja, und das ist nur ein kleiner Auszug aus der zweistündigen Show. Soll euch einen kleinen Einblick geben, was der Zirkus alles für mich vorgesehen hat!
Aber wie gesagt, es ist noch einiges mehr: Mein Mentor und ich waren in der Show nahezu ohne Pause im Einsatz! Man darf an keiner Ecke fehlen! Oft sind es kleine Arbeiten mit großer Wirkung! Und die Artisten und Künstler verlassen sich 100% auf einen. Das Timing ist sehr, sehr wichtig, da muss man wirklich zuverlässig sein.

Das war also mein Eindruck nach meiner ersten Show, die ich „Backstage“ miterlebt habe. Das wird es für mich zu tun geben, das habe ich alles zu lernen!
Und glaubt mir, nach dieser ersten Show war ich bedient, fertig, müde, erschöpft, aber doch trotz allem überwältigt von meinen Eindrücken und das Wichtigste: GLÜCKLICH.

Ja, und erst jetzt befinden wir uns am Ende meines ersten Tages im Zirkus. Ihr seht, es waren unglaublich viele neue Eindrücke für mich an diesem Tag.
Und zu diesem Zeitpunkt gab es für mich nur noch genau EIN Ziel:
Mein Bett.
Und meine erste Nacht im Wohnwagen, meine erste Nacht im Zirkus und auch gleichzeitig meine erste Nacht im neuen Zuhause, konnte ich wunderbar schlafen!
Das könnt ihr mir glauben! :)

Am folgenden Tag standen wieder zwei Aufführungen mittags und abends an.
Während der ersten Vorstellung versuchte ich mich erneut mit meinen Notizen, und konnte ein paar Lücken füllen. Dennoch alles noch sehr, sehr bruchstückhaft!
In der Mittagspause und im Laufe des Tages stellte sich dann in einigen Gesprächen heraus, dass auch die anderen Mitarbeiter in ihren ersten Shows überfordert waren mit der Fülle an Aufgaben, das sei also völlig normal! Allerdings würde sich das nach wenigen Wochen legen.
Ich muss sagen, das beruhigte mich.
Dann haben sie mir erzählt, dass mein Vorgänger 2 Wochen Zeit hatte um den Showablauf und die dazugehörigen Aufgaben zu lernen, auch das beruhigte mich sehr.
Aber diese Beruhigung währte leider nicht lange! Genauer gesagt nur bis zu ihrem nächsten Satz:
In seiner ersten Show hat er nämlich trotz allem den Zaubertrick direkt RICHTIG versaut:
Bei der großen Enthüllung sollten ja eigentlich zwei leere Stühle unter den zwei Tüchern hervorkommen. Bei seiner Premiere allerdings saß noch eine Dame auf dem Stuhl und zu allem Übel kam noch dazu, dass er seine Hand gerade durch die Falltüre in der Bühne streckte und sie somit für das komplette Publikum zu sehen war. Sprich: Er war schlicht zu langsam um beide Stühle zu erledigen.
Es ist also wirklich tricky, den Job innerhalb von Sekunden zu erledigen. Und das hat meine Anspannung nicht gerade gelockert!

Das Problem war nur, dass sich die anderen Mitarbeiter im Zirkus darüber amüsieren konnten, aber ich für meinen Teil fand das gar nicht mal so witzig!
Schließlich hatte ich meine Premiere noch vor mir! Aber ich werde ja noch 2 Wochen Zeit haben um meinen Job zu lernen, so wie mein Vorgänger :)
Da werde ich also noch genügend Zeit haben, mich darauf vorzubereiten!

Dann aber gab es einen „Wendepunkt in der Geschichte“:
Es stellte sich heraus, dass mein Mentor bereits nach der Show heute Abend abreisen wird und ich somit bereits morgen auf mich alleine gestellt war.
Zunächst Schock.
Ich sollte nach 2 Tagen bereits alleine den Job übernehmen? MORGEN die Falltüre betätigen? MORGEN die komplette 2stündige Show meinen Job erledigen?

Ich konnte es nicht glauben. Aber was blieb mir anderes übrig? Kopf in den Sand stecken? Direkt wieder abreisen?

NEIN, kommt natürlich nicht in Frage!
Ich übte mich in Selbstmotivation und versuchte einfach, das Positive in der Situation zu sehen:
Und so tröstete ich mich damit, dass wenigstens niemand durchstochen wird, wenn ich die Falltüre nicht rechtzeitig betätige :)

Ja, ihr seht schon: Meine ersten 2 Tage waren nicht zum akklimatisieren da! Es gab kein lockeres einarbeiten für mich! Im Gegenteil:
Statt plaudern und quatschen mit den Zirkusleuten stand richtiges pauken auf dem Plan. Wie vor dem Abitur.
Ich ging meine bislang noch bruchstückhaften Notizen durch, versuchte mit dem Ablaufplan eine Struktur in meinen Kopf bekommen. Zum Vergleich: Die Schüler unter euch kennen sicherlich den Moment am Tag vor einer Klassenarbeit, in dem man abends das erste Mal sein Heft aufschlägt. :)

Der Unterschied in diesem Falle war allerdings, dass ich nicht durch meine Nachlässigkeit in diese Situation geraten bin.
Und wie sagt man so schön: „Jemanden ins kalte Wasser werfen“!
Dieser „Jemand“ war in diesem Falle ich, und das „kalte Wasser“ kam mir leider EISKALT vor!

Aber ich wollte die Herausforderung meistern!
Ich wusste, dass ich noch die Show am Abend hatte! Genau EINE Show um meinem Mentor nochmal auf die Finger zu sehen! Und diese Chance würde ich nutzen!

So war ich in der Show am Abend hochkonzentriert! Und sehr fleißig mit meinem Stift aktiv. Ich versuchte so flink wie möglich zu sein, und meine Notizen waren mittlerweile annehmbar :)
Aber nachdem die Show abends um 21 Uhr vom Ringmaster beendet wurde stand für mich noch kein Feierabend auf dem Programm:
Da sich natürlich auch der Zirkus im Klaren war, vor welch große Herausforderung sie mich stellen, wurde extra eine Probe mit dem Zauberer und den Damen für meine beiden Falltüren angesetzt!
So hatte ich eine Generalprobe in der ich mich doch recht wacker geschlagen habe und durfte mir sogar ein Lob abholen :)

Und dann fiel ich todmüde in mein Bett! Schließlich stand bald der große Tag an:

Ich war nun also bereit. Nach einem 2-Tages-Crashkurs in Sachen Zirkusarbeit stand meine erste Show auf dem Plan. Es gab viele beruhigende Worte von den Artisten, dass sie mir gerne auch Tipps geben, wenn möglich.
Trotzdem startete ich mit etwas flauem Magen meine Arbeit!
Und zurückblickend darf ich stolz berichten: Es bleibt auch weiterhin ein Rätsel, wie die 2 Damen auf den Stühlen plötzlich verschwinden! Der Zaubertrick hat nämlich geklappt!
JA, ich habe meine erste Show gemeistert :) :) Auch die anderen Aufgaben konnte ich in den richtigen Momenten erledigen!
Zusammenfassend zu meinem ersten Eindruck zur Arbeit im Zirkus ist mir folgender Vergleich eingefallen:
Die Show ist wie ein Uhrwerk: Jedes Zahnrad muss in das andere greifen, damit die Show etwas wird.
Denn hinter den Kulissen unterstützen die Artisten, wenn sie nicht gerade selbst auf der Bühne stehen, die Show der anderen und alle sich gegenseitig.
Und es ist hochinteressant, mit den Akteuren Hand in Hand zusammenzuarbeiten.

Ja, und dann ging es in die dreiwöchige Pause, die ich auf der Farm des Zirkusinhabers Anton Gasser verbracht habe! Dort konnte ich ja die Zirkusutensilien der letzten 30 Jahre erkunden und der Geschichte des Zirkus auf den Grund gehen! Den Bericht dazu habt ihr ja bereits gelesen!

Jetzt haben wir unser Zirkuszelt wieder aufgeschlagen und befinden uns jetzt fast in der Melbourner Innenstadt! Total klasse für mich, da in der Millionenstadt natürlich einiges geboten ist!
Beim Aufbau des Zeltes hier haben natürlich alle Zirkusmitarbeiter geholfen.
Als ich beispielsweise mit Jongleur Yibi (Auf dem Bild mit schwarz-rotem Anzug) den roten Teppich auf der Bühne ausgerollt habe ist die Artistin an den Ringen, Rosita Gasser, gekommen und hat uns als kleine Stärkung ein Eis gebracht :)

Und mittlerweile lebe ich mich hier richtig ein! Der Zirkus bietet mir hier eine Unterkunft im Wohnwagen mit eigenem Kühlschrank und Waschbecken! Und auch die Verpflegung wird gestellt und ich habe sogar die Möglichkeit meine Reisekasse aufzufüllen :)
Ich bin einziger Work&Traveller, die anderen sind alle fest angestellt!
Ach ja, das Witzige ist, dass die Akteure direkt vor der Show ganz unspektakuläre Dinge machen. Sprich: Zuckerwatte machen, Popcorn in Tüten verpacken, Plüschtiere im Zirkusshop verkaufen. Oder wie Dominik Gasser vor der Show noch das Karussell, das zum Zirkus gehört, betreiben und dann nachher mit dem Motorrad in die „Globe of Death“ steigen und sehr gefährliche Show abliefern.

Ja, und mittlerweile lerne ich die Artisten alle näher kennen!
Mit Dominik Gasser, Motorradfahrer, verstehe ich mich besonders gut und wir haben festgestellt, dass wir ziemlich den gleichen Musik- und Autogeschmack haben!
Auch mit den anderen Artisten habe ich mich bereits angefreundet und Yibi, Jongleur aus Argentinien, will mich zurzeit davon überzeugen, dass Lionel Messi sich den Titel „Weltfußballer“ redlich verdient hat. Ich zeige ihm dabei nur die kalte Schulter und erinnere ihn an die WM 2010, bei dem Deutschland Argentinien mit 4:0 abgezogen hat! :) Das hört er nicht gerne!

Bei allem Spaß, den wir haben, bin ich aber stets interessiert, die jeweiligen persönlichen Geschichten der Artisten zu erforschen! Sie kommen, wie bereits erwähnt, aus allen Teilen der Welt und so unterschiedlich die Kulturen sind, so unterschiedlich sind auch die jeweiligen Geschichten.
Gypsi Gomez aus Südamerika (Auf dem Foto mit der Discokugel) war beispielsweise auch schon im Zirkus Krone in Deutschland aktiv.
Was ich bislang sehr bemerkenswert finde: Die Artisten stammen wirklich fast alle aus seit Generationen bestehenden Zirkusfamilien und sind somit auch im Zirkus geboren!
Und da möchte ich doch gerade auf die Geschichte des Zirkusdirektors Anton Gasser etwas näher eingehen. Es ist wirklich eine Bilderbuchgeschichte. Eben so, wie man sich eine „richtige“ Zirkusfamilie vorstellt:

Die Familie Gasser stammt aus der Schweiz und unterhält seit den Ursprüngen im Jahre 1437 seit Generationen Menschen mit ihren Vorführungen!
Die Leidenschaft zum Zirkusleben wurde also von Generation zu Generation weitervererbt!
Zirkusinhaber und damals Tierdompteur Anton Gasser wanderte dann 1976 von der Schweiz nach Australien aus und betreibt seither den „Silvers Circus“ hier.
Auch hier wurden aus der Familie Artisten und Künstler hervorgebracht und drei Mitglieder der Gasserfamilie sind auch derzeit hier im Zirkus aktiv auf der Bühne.
Die Brüder von Anton Gasser und seine nähere Verwandschaft betreibt noch einen weiteren Zirkus hier in Australien und weitere Zirkusse in der Schweiz und anderen Ländern Europas!
Man kann wirklich sagen, dass diese Familie den Zirkus und die Unterhaltung im Blut hat.
Ach ja, da Anton Gasser ja aus der Schweiz kommt, spreche ich sogar hin und wieder deutsch mit ihm!

Ach, und für die nähere Zukunft ist für mich übrigens bereits weitere Arbeit in der Show in Planung:
Ich werde in Zukunft eng mit dem Zauberer zusammenarbeiten. Dabei werde ich mit ihm auf der Bühne einen Trick durchführen. Ich werde mit schwarzem Hemd und Hut ausgestattet und werde Cassandra Gasser (Nichte des Zirkusdirektors, Bildmitte) zu einer Kiste tragen.
Sobald sich Cassandra in der Kiste befindet wird Zauberer Simon spitzige Stäbe in Brand setzten und mit diesen die Kiste durchstechen.

Noch ein weiterer Akt ist für mich geplant: Ich werde mit Jongleur Ricardo auf der Bühne sein und ihm während seines Auftritts in den richtigen Momenten Keulen und Ringe zuwerfen!

Ihr seht, es bleibt spannend!


 

So, aber jetzt heißt es erstmal: Abwarten bis zu meinem Geburtstag!
Und zwar zum ersten Mal in meinem Leben nicht im trauten Heim – sondern wahrhaftig in einem Zirkus!
Ich habe hier mein Geburtsdatum schon in die Runde geworfen! Sonst würde ich womöglich am Ende noch dastehen, ohne dass einer weiß, dass ich Geburtstag habe :)
Und wer weiß, vielleicht planen sie ja eine riesige Überraschungsfete im Zirkuszelt :)

Ach ja: Ich habe glücklicherweise dieses Jahr an einem Dienstag Geburtstag!
Wer weiß was hier im Zirkus sonst passieren würde, wenn ich am Freitag, den 13. November Geburtstag hätte :)



So! Aber jetzt genug von mir! Schreib mir, wie es bei DIR im Moment läuft :)
Ich bin gespannt auf deine Nachricht!
Andreas

 PS: Bei dem Video zu Beginn könnt ihr direkt zu Beginn bei 0:06min einen Teil von meinem Wohnwagen sehen! Hinter den Vorhängen wohne ich :)
PPS: Das bin ich vor dem Zirkuszelt und der „GLOBE OF DEATH“