Nachdem
ich die letzten 3 Wochen ohne Internet auskommen musste, (Ja so etwas gibt es
selbst im Jahre 2012 noch) ist es jetzt endlich soweit: Ich bin zurück in der
Zivilisation :)
Und
glaubt mir, es gibt EINIGE Neuigkeiten :)
Aber
ich fange natürlich zuerst da an, wo der letzte Rundbrief aufgehört hat:
Die
Tage nach der Abreise von Michi habe ich weiterhin bei Marc verbracht.
Da
seine Wohnung nicht weit vom Strand ist, waren wir mit seiner australischen
Clique Beachvolleyball spielen. Direkt am Meer :)
Das
hat seinen ganz besonderen Reiz, denn als sie letztens gespielt haben ist eine
Delfinfamilie direkt an der Küste an ihnen vorbei geschwommen.
Hört
sich traumhaft an, aber ich hatte zu dem Zeitpunkt schon andere Dinge im Kopf:
Alles
in die Wege leiten, planen, dann telefonieren und schließlich die Zugfahrpläne
studieren. Alles nur mit einem bestimmten Ziel!
Und
dann war es endlich soweit! Der große Tag war gekommen:
Ich
machte mich auf den Weg zu meinem neuen Arbeitgeber und sollte ihn ein erstes
Mal mit meinen eigenen Augen sehen:
SILVERS CIRCUS
Ich
werde euch die Geschichte erzählen:
Es
war einmal, an einem schönen und sonnigen Tag in Australien. Ein kleiner Junge
namens Andreas..
STOP.
Ich
habe es mir gerade anderes überlegt :)
Da
ich mir bislang nur einen kleinen Eindruck verschaffen konnte, will ich jetzt
noch nichts vorweg nehmen!
Ich
will schließlich nicht die Spitze des Eisberges erzählen und den großen Teil
außen vor lassen – Nein:
Ich
werde euch alles erzählen. An einem Stück.
Vom
ersten Zusammentreffen und meinen ersten Eindrücken bis zum kennen lernen
meiner „Zirkusfamilie“ und schließlich den Beginn meines Nomadenlebens :)
Aber
ich will euch noch eine Weile auf die Folter spannen. Im nächsten Rundbrief
wird es soweit sein. Kein normaler Rundbrief, nein.
Ich
nenne ihn hiermit feierlich:
DEN ZIRKUSRUNDBRIEF
Macht euch auf was
gefasst!
So
viel sei schon jetzt gesagt: Ich habe eine überaus spannende Einführung in
meine Arbeit bekommen und dann ging der Zirkus seine wohlverdienten 3 Wochen
„Betriebsferien“.
Die
einzig freie Zeit der Artisten und Künstlern im kompletten Jahr – es wird sonst
permanent durchgearbeitet!
Das
trifft sich sehr gut: Ich hatte jetzt einen Einblick in das Zirkusleben und dann
erstmal Zeit meine ersten gesammelten Erfahrungen zu verarbeiten! :)
Aber
zunächst hieß es nochmal: Ran an die Arbeit!
Wir
haben den kompletten Zirkus zusammengepackt und plötzlich standen da riesige Trucks,
beladen mit der großen Bühne, den Sitzreihen des Publikums und dem Zelt und dazu
natürlich noch jede Menge Wohnwägen – eben die kompletten Utensilien eines
Zirkus!
Ja,
und dieses Bild zeigt nur einen kleinen Bruchteil der gesamten Fahrzeuge!
Da
stellt einem sich die Frage: Wo kann man so etwas 3 Wochen lagern?
Kein
Problem, no worries - Der Zirkusdirektor Anton Gasser nennt neben dem Zirkus auch
eine rießige Farm sein eigen. Auf der zugehörigen Fläche kann man alles problemlos
zwischenlagern.
Alle
Zirkusmitarbeiter haben die Möglichkeit, die 3 showfreien Wochen auf dieser
Farm zu verbringen! Die meisten Artisten nutzen allerdings die Chance um zu
reisen und etwas Abstand zum Alltag zu bekommen!
Der
Sohn des Zirkusdirektors und ebenso Artist, Dominik Gasser, ist beispielsweise
gerade in Europa unterwegs und wird sich sogar zeitweise in Deutschland
aufhalten! :)
Da
auch ich nun zur Zirkuscrew gehöre, hat man mir vorgeschlagen, die 3 Wochen auf
der Farm zu verbringen!
Ich
hatte noch nicht viel von besagtem Ort gehört und wusste somit nicht, was mich
dort erwartet.
Aber
ich hatte die Chance einige Zirkusmitarbeiter und ihren „way of life“ außerhalb
der Shows näher kennen zu lernen und so nahm ich die Herausforderung an und
sagte zu.
Es
stellte sich heraus, dass 4 weitere Zirkusmitarbeiter dort ihre Ferien
verbringen werden und so begann unsere Zeit auf einer Farm nahe Gisborne.
Da
es hier jede Menge Arbeit zu tun gibt, hat es sich für mich angeboten, meine
Reisekasse etwas aufzufüllen :) So war ich also die
3 Wochen auch beim Zirkusdirektor angestellt.
Ich
muss zugeben dass ich zunächst etwas geschockt war:
Die
Farm lag sehr abgelegen auf dem Land und war somit komplett ohne öffentliche
Verkehrsanbindung.
Also
erstmals weg vom touristischen Australien und weg vom Trubel der Großstädte.
Mich
erwartete ein einfaches Leben auf einer einsamen, australischen Farm.
Mein
erster Eindruck nach der Ankunft war, dass es vielleicht doch etwas zu einsam
für meinen Geschmack ist.
Und
ich muss ehrlich sein: Ja, ich war sogar etwas enttäuscht.
Aber
in der Ruhe hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und so konnte ich mich glücklicherweise
nach dieser ersten Enttäuschung schnell auf das Besinnen, was wirklich zählt. Mir
wurde klar:
Der
Zirkus stellt mir hier alles, was man zum Überleben braucht:
Genügend
zu Essen und Trinken und ein Dach über dem Kopf.
Es
stellte sich eine erste Zufriedenheit ein.
Aber
damit nicht genug: Mit der Zeit konnte ich plötzlich ganz neue Erkenntnisse
gewinnen und es fiel mir wie Schuppen von den Augen:
Ich habe sogar viel mehr als nur das, was man zum Überleben braucht!
Beispielsweise
muss ich mein Zimmer nicht mit anderen teilen, was nicht viele Backpacker von
sich behaupten können :)
Oder:
Am Kühlschrank in unserer Gemeinschaftsküche darf ich mich immer bedienen!
Und
Dank unserer Einkaufsfee Bruce ist dieser auch immer gefüllt :)
(Gut,
vielleicht bin ich der Einzige, der den knorrigen Bruce mit seinen 65 Jahren
Lebenserfahrung eine „Fee“ nennt, aber eigentlich hat er sich das doch verdient :))
Ja,
ich könnte diese Liste noch eine Weile weiterführen, aber zusammenfassend kann
ich sagen:
Plötzlich
konnte ich meine Lage überhaupt begreifen und lernte Dinge zu schätzen, die
sonst für mich leider selbstverständlich waren.
Bisher
war mir das so nicht möglich: In Deutschland genießen wir einen großen Luxus
und so vieles ist im Überfluss vorhanden.
Aber
in meiner Zeit auf der Farm offenbarte sich mir eine sehr wertvolle Erkenntnis,
die ich gerne mit nach Hause nehmen will:
Man
braucht nicht viel, um etwas aus seinem Leben zu machen!
Hier
auf der Farm gibt es kein Fernsehen. Keine Medien zur Bespaßung, nein.
Aber
ich habe einen funktionierenden Kopf, dem keine Grenzen gesetzt sind.
Und
mit ein wenig Kreativität kann man Ideen entwickeln und aus den einfachsten Sachen
interessante Dinge machen!
Rezept gegen Langeweile für
Jedermann
Zutaten:
-funktionierender
Kopf mit Gehirn (Größe spielt keine Rolle)
-eine
Prise Kreativität
-Zeit,
die subjektiv gesehen als „Langeweile“ bezeichnet wird
Man nehme zunächst diesen Kopf und gebe ihn zusammen mit der Kreativität in eine große Schüssel.
Anschließend gut verrühren und das Ergebnis eine Zeit lang stehen lassen, damit sich die Kreativität entfalten kann.
Dieser Arbeitsschritt kann in
regelmäßigen Zeitabständen solange wiederholt werden, bis die komplette
Kreativität verbraucht ist.
Mit etwas Geduld ergeben sich dann beste
Ideen, die jedoch je nach Person recht unterschiedlich ausfallen können.
Jedoch führen sie in den meisten Fällen
zu einer super Beschäftigung und lassen nicht-enden-wollende-Tage wie im Flug
vergehen!
Exptertentipp: Ein sehr positives
Resultat erzielt man, wenn man den Fernseher komplett weglässt!
Sollte es in ihrem Falle unverzichtbar
sein, dann jedoch höchstens in Maßen zugeben.
Erfahrungen von Testperson
Andreas (Gehirngröße: Keine Angaben)
Zunächst wusste ich
gar nicht, was ich mit meiner vielen Zeit anfangen sollte. Dann plötzlich bin
ich auf dieses Rezept gestoßen und es hat so vieles verändert.
Mein gesamter Tag
verläuft sehr kurzweilig!
Das fängt schon
morgens beim Frühstück an: Wenn ich mir Pancakes mache vergeht die Zeit wie im
Flug: Ich suche ich die Herausforderung und trainiere fleißig um den Pancake in
der Luft zu wenden, ohne dass er aus der Pfanne fällt! Ich mache das Kochen zu
einem Fest! Auch im weiteren Tagesablauf mache ich nun viele alltägliche Dinge
zu etwas besonderem!
Beispielsweise
versuche ich mich als Jongleur. Mit Äpfeln. Da ist die Motivation größer keinen
fallen zu lassen, weil ich sie schließlich nach meiner Trainingsstunde esse!
Ich bin absolut
begeistern und kann das Rezept nur jedem weiterempfehlen es mal auszuprobieren!
Okay,
Schluss mit dem Erfahrungsbericht. Ich hoffe ich konnte euch mein Denken mit
meinem anschaulichen Rezept und Testbericht etwas näher bringen :)
Ja,
auch beim Rundbrief schreiben lasse ich meiner Kreativität freien Lauf und es
bereitet mir große Freude – schöner Zeitvertreib :)
Ach,
und euch interessiert sicher, wie ich meine Zeit hier sonst verbringe, wenn ich
nicht gerade mit Äpfeln jongliere oder Pancakes durch die Küche katapultiere!
Pass
auf: Hier ein Einblick in meinen Tagesablauf auf der Farm:
Mein
Wecker klingelt um 8 Uhr. So kann ich mir Zeit lassen beim Aufstehen und wenn
mich der Hunger überkommt werfe ich ein Blick in unseren Kühlschrank der
Gemeinschaftsküche, was Bruce so Leckeres eingekauft hat :)
Um
9 Uhr geht meine Arbeit los! Zusammen mit Bruce bringe ich die Farm auf
Vordermann: Ich mähe den Rasen mit einem so genannten „Whibble Snipper“, ein
motorisiertes Handmähgerät!
Dann
schneide ich die Bäume, füttere nebenher unerlaubterweise die Ziege und ich
muss sagen:
Ich
entdecke hier meinen grünen Daumen! Bislang hat er sich 19 Jahre gut versteckt,
aber jetzt habe ich ihn wohl entlarvt :)
Um
12 Uhr wird dann eine Stunde Mittagspause gemacht und dann wird wieder bis ca.
15 Uhr gearbeitet – also zusammenfassend ca. 5 Stunden Arbeitszeit pro Tag.
Den
restlichen Tag habe ich Zeit für mich! Und diese Zeit schätze ich sehr und ich nutze
sie für viele Dinge, die sonst im stressigen Alltag zu kurz kommen :)
Ich
habe Zeit um Musik zu hören und Liedtexte zu studieren, mein Reisetagebuch
schreiben und was besonders empfehlenswert ist: Bilder der letzten Jahre
ansehen und die Erlebnisse noch mal im Kopf genießen. Außerdem habe ich hier
Zeit, um mir Gedanken zu meinem Leben und meiner Persönlichkeit zu machen. Und
welches Studium wohl am besten dazu passt. Oft unterhalte ich mich auch mit den
anderen Zirkusmitarbeitern über ihre jeweilige Geschichte und lerne sie so näher
kennen.
Und
was ich sehr gerne mache: Ich lasse mir ganz viel Zeit beim Kochen und Essen!
Man genießt das Essen so viel bewusster!
Damit
ich trotz des Genießens fit bleibe trainiere ich hier außerdem viel :)
Ach,
und etwas sehr interessantes habe ich noch vergessen: Ich mache
Erkundungsrunden durch das riesige Farmgelände!
In
einer Scheune habe ich bereits ein Motorboot entdeckt, das der Zirkusinhaber
Anton von seiner Frau einfach mal zu seinem Geburtstag bekommen hat – verrückt.
Aber
es bieten sich noch eine Menge viel interessanterer Dinge an: Der „Silvers
Circus“ hat eine lange Tradition, wurde 1946 gegründet. Und die ganzen alten
Utensilien aus früheren Zeiten werden hier auf der Farm gelagert: Die Scheunen sind
gefüllt mit alten Zaubererumhängen, alten Werbeplakaten, Einrädern und ich habe
sogar schon eine alte Kanone entdeckt, mit der früher Personen durch die Manege
geschossen wurde :)
Unglaublich
interessant, was man hier alles findet :)
Und
hier auf der Farm hier stehen auch sämtliche alte Fahrzeuge des Zirkus –
teilweise 30 Jahre alt.
Rostige
Trucks mit denen früher das Zelt transportiert wurde, alte Wohnwägen der
früheren Artisten und auch die Wägen, in denen die Tiere früher gehalten
wurden. Ich habe bereits den alten Löwenkäfig entdeckt. Dieser steht nicht weit
entfernt von meinem Wohnwagen :)
Auch
einen Affenkäfig gibt es hier. Zu dem habe ich mich sofort hingezogen gefühlt,
wie unschwer zu erkennen ist.
Ironischerweise
passt mein braunes St.Pauli-Trikot optimal zu dem Affenbild :)
Dann
habe ich mich schlau gemacht, was der Zirkus sonst für Tiere in seinen Shows
hatte.
Zum
Repertoire gehörten wie bereits erwähnt Löwen und Affen aber auch russische Braunbären,
Kamele, Lamas, Pferde, Stiere und Elefanten! Also wirklich das volle Programm.
Doch
vor einigen Jahren hat die australische Regierung einige Gesetze zur „Freiheit
der Tiere“ geändert!
Auch
der Silvers Circus hat im Laufe dieser Reform seine Tiere nach und nach
abgeschafft und ist nun fast ein rein artistischer Zirkus mit menschlichen
Darstellern!
Ich
persönlich halte auch nichts von Tiervorführungen und so begrüße ich das sehr :)
Ach,
wo wir gerade bei Tieren sind:
Hier
auf der Farm wurde ich schon mehrfach vor großen giftigen Spinnen und Schlangen
gewarnt. Die treiben hier ihr Unwesen und ich sehe schon, wie vielleicht DU in
genau diesem Moment deine Finger in den Schreibtischstuhl krallst!
Spinnen
sind mir bereits einige begegnet, tot und lebendig. Das Exemplar auf dem Foto haben
wir in einem Container entdeckt. Nach reiflicher Überlegung sagte mir mein kriminalistischer Spürsinn, dass sie
vermutlich in Folge einer irreparablen Fußverletzung gestorben ist. Zu diesem
Schluss kommt man relativ leicht, wenn man den hinteren Part der Spinne
betrachtet: Die Körperextremität weist eine unnatürliche Stellung auf!
Genug
der Witzelei! Ach ja: Bislang hatte ich noch nicht die Ehre eine Schlange zu
treffen! Darf wegen mir auch gerne so bleiben :)
Und
noch etwas Positives möchte ich erwähnen: Mein Wohnwagen wird natürlich ebenso
zur nächsten Station des Wanderzirkus transportiert und so werde ich auch während
der Spielzeit hier wohnen können!
Aus
dem Grund konnte ich mich schon häuslich einrichten und so ziert jetzt ein Foto
der Familie Schaible mein Zimmer! Direkt über meinem Bett :)
Und
da ich hier zusätzlich zur Gemeinschaftsküche meinen eigenen Kühlschrank habe,
habe ich im Supermarkt zugeschlagen und mich mit australischen Süßigkeiten
eingedeckt.
Aber
pssst, nicht den anderen Mitarbeitern erzählen! Die sind nur für mich J
So
und jetzt neigt sich der Oktober dem Ende zu und die Artisten reisen nach und
nach wieder an. Das heißt:
IT´S SHOWTIME!
Grüße
aus dem Wohnwagen!
Andreas